Bodenwöhr. Igel leiden still. Und wenn sie noch so schwer verletzt oder sterbenskrank sind, Igel schreien nicht immer ihr Leid in die Welt. Das ist vielleicht mitunter ein Grund, warum Menschen im Allgemeinen den stacheligen Gesellen kaum Beachtung schenken, wenn er verletzt und hilflos da liegt. „Jedes Tier soll gleich viel wert sein." So lautet ein Grundsatz von Lisa Ruder, die sich seit Jahren den kranken und verletzten Igeln annimmt.


Aus gutem Grund: Der Igel ist das älteste Säugetier Europas. In Bayern steht er auf der Roten Liste, ist akut vom Aussterben bedroht. Die Ursachen hierfür sind mannigfaltig. „Jedes Tier soll gleich viel wert sein", erklärt Lisa Ruder ihr Engagement für das Wohl der Tiere, insbesondere für die Igel. „Ein Wildtier", ist sie sich durchaus seiner Bedeutung bewusst. Deshalb werden die Igel, wenn sie wieder fit sind, auch sogleich wieder ausgewildert, „damit sie wieder für Nachwuchs sorgen können." Igel, die im August geboren werden, haben Zeit, Winterspeck anzusetzen, um so für den Winterschlaf gerüstet zu sein. Igel kommen auch im September und Oktober zur Welt, diese hätten aber geringe Chancen, so viel Nahrung zu sich nehmen zu können, um drei bis vier Monate Winterschlaf zu überstehen. 

Mähroboter und Freischneider verursachen schlimmste Verletzungen

Nicht die einzige Gefahr, welcher die Igel ausgesetzt sind. Der Lebensraum der Insektenfresser wird arg beschnitten, im wahrsten Sinne des Wortes. Mähroboter und Freischneider rücken den Tieren zu Leibe und verursachen schlimmste Verletzungen. Menschen, die so ein verletztes Tier bemerken, greifen dann häufig sehr spät ein. Und so landen die Igel mit ihren Verletzungen bei Lisa Ruder, die inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad als Auffangstation für hilfsbedürftige Igel „genießt". 

Durch das relativ späte Eingreifen haben sich meist Maden in den Wunden eingenistet, die den Igel von innen auffressen und die Qualen des Tieres noch verstärken. Wichtig zu wissen: Igel sind nachtaktive Insektenfresser. „Sollte man sie tagsüber sichten, muss man sofort reagieren. Jede Stunde zählt", betont Lisa Ruder. Sterbenskrank kommen die Igel häufig bei ihr an. Die 57-Jährige im kleinen Ortsteil Erzhäuser sagt, dass es ihr Freude bereitet, zu sehen, wie sie sich erholen und wieder ausgewildert werden können, um sich fortpflanzen zu können. Es ist eine Tätigkeit, die Sinn gibt, in ihrer wenig freien Zeit, die der Umwelt zugutekommt und indirekt auch den künftigen Generationen. 

Fast jeder Igel kommt zum Tierarzt

Viele Leute machen den Fehler, die Tiere noch Stunden bei sich zu behalten oder zu beobachten, ohne ihn als Erstes in Gewahrsam zu nehmen, mangels Fachkenntnisse können sie den Igel aber nicht retten. Wertvolle Zeit verstreicht, bis sie zu Menschen wie Lisa Ruder kommen. Trotz ihres umfangreichen Wissens und Erfahrungen im Umgang mit den kranken und verletzten Igeln, steht sie im engen Kontakt mit einem Tierarzt: „Fast jeder Igel wird zum Tierarzt gebracht." Je nach Diagnose, übernimmt sie nach dessen konkreten Anweisungen, die Pflege bzw. das Aufpäppeln. Mit ihrem hohen Einfühlungsvermögen spürt Lisa Ruder den Lebenswillen des Igels, den sie nach Kräften wirkungsvoll durch die entsprechende Pflege und nicht zuletzt ihrer Tierliebe unterstützt. Auf sozialen Netzwerken tauscht sie sich mit weiteren Einzelpersonen aus, die ihre Leidenschaft für Igel teilen und arbeitet mit Igelstationen zusammen. 

Derzeit sind zwei erwachsene und zwei Igelbabys auf ihrer Pflegestelle. Lisbeth war unterernährt und kämpft derzeit noch gegen ihren eitrigen Schnupfen an. Eine Zahnsanierung durch den Tierarzt soll demnächst abgeschlossen und damit die Ursache für diese Beschwerden beseitigt werden. Und Lisa erholt sich von ihren schlimmen Verletzungen, die sie durch einen Freischneider erlitten hat, schwere Schnittverletzungen, die am Verheilen sind. 

Todbringende Hundebisse

Drei Babys wurden jetzt noch gebracht, was sicherlich nicht die Letzten waren, denn jetzt ist die Babysaison für Igel. Eines war durch Hundebisse leider so schwer verletzt, dass auch sie es nicht mehr retten konnte. Insektenfeindliche Steingärten schränken den Lebensraum des Igels stark ein. Eigentlich dient der Igel als natürlicher Bekämpfer von Pflanzenschädlingen, Käfer und Larven stehen auf seinem Speiseplan. Reicht die Ernährung durch Insekten nicht aus, greifen sie auch auf Schnecken und Regenwürmer zu. Diese sind Hauptüberträger von Parasiten wie verschiedene Arten von Bandwürmern, während Käfer mit einem chitinhaltigen Panzer ausgestattet sind, das wie ein natürliches Antibiotikum gegen zu starken Wurmbefall wirkt. 

Allein schon wegen des Befalls mit Parasiten ist eine Begutachtung eines jeden neu zu ihr gebrachten Tieres durch den Tierarzt unerlässlich. Durch eine Kotprobe wird eine genaue Diagnose und ein Medikamentenplan erstellt. Befragt nach den Kosten bei all dem ehrenamtlichen Engagement antwortet Lisa Ruder, dass sie sich über Spenden freut. Die Kosten für Tierarzt, Medikamente, Futter nimmt sie auf sich und freut sich über Unterstützung jeglicher Art. Seit drei Jahren hat sie sich Wissen angeeignet. Als Anlaufstelle ist sie mittlerweile bekannt, aus der Region Schwandorf, aber auch bis von Regensburg fahren sie zu ihr hinaus, wenn ihre Kolleginnen überfüllt sind. „Igeltaxis werden gesucht, denn nicht jeder Finder ist bereit, 40 Kilometer Fahrt auf sich zu nehmen." Der Aufruf erfolgt in den sozialen Netzwerken oder auch privat. Wenn beispielsweise jemand seinen Arbeitsplatz in Regensburg hat, der transportiert den Igel dann zu ihr. 

Einbuchtung: Dehydrierung

Generell gibt es zu wenig Wissen in der Bevölkerung. Eine Einbuchtung zwischen Kopf und Körper deutet darauf hin, dass der Igel am Verhungern und Verdursten ist – Krankheit trägt meist dazu bei. Diese Einbuchtung ist auch für den Laien erkennbar. Der Igel muss sofort mit hochdosierten Vitaminen versorgt werden. „Das Spezialfutter ist sündhaft teuer", so Lisa Ruder. Ein Igel, von einem Auto angefahren, muss nicht tot sein. Nachschauen, ob er noch lebt, rät sie, damit er nicht leiden muss und so ein humanes Ableben durch den Tierarzt gewährt wird. 

Jeder Einzelne kann etwas dafür tun, dass der Igel zum einen nicht leiden muss, zum anderen sein Überleben gesichert ist. Teiche, Gruben, Schwimmbecken gefährden den Igel, da er nicht ausdauernd schwimmen kann. Ausstiegshilfen und Abdeckungen bilden die Lösungen. Müll in der Landschaft ist ohnehin ein Ärgernis. Die wenigsten Zeitgenossen denken daran, dass achtlos weggeworfene Behältnisse zur Todesfalle für Tiere werden können. 

Ebenso gibt es kein Entkommen, wenn Igel in Wertstoffsäcken wühlen, angelockt durch deren Düfte, den Ausgang nicht mehr finden und mit „entsorgt" werden. Verzichten soll man auf den Einsatz von Ultraschallgeräten, die Tiere fernhalten sollen. Dadurch wird der Igel beim Winterschlaf oder der Aufzucht seines Nachwuchses gestört. Chemie im Garten stört das ökologische Gleichgewicht und entzieht dem Igel die Ernährungsgrundlage. Oster- und Sonnwendfeuer gefährden nicht nur Igel, sondern auch andere Tiere, die in den Holzhaufen Unterschlupf suchen, wie Spitzmäuse, Siebenschläfer, Wildkaninchen und Vögel. Rasentrimmer, Motorsensen und Mähroboter gefährden Igelleben, allein schon durch die Verletzungen. 

Zudem sind Mähroboter insektenfeindlich, entziehen somit die Ernährungsgrundlage der Stachelritter. Igel sind reine Fleischfresser, das Bereitstellen von Obst, Nüssen oder Vogelfutter bringt gar nichts. Hunde- oder Katzenfutter mit einem hohen Fleischanteil, Eier, Geflügelfleisch, Rinderhackfleisch zählen zur Igelkost. Gegen das Verdursten sollen Tränken mit Wasser aufgestellt werden. Ein Igelhaus mit Rattenklappen dient als Unterschlupf oder Futterhaus, auch Laub-Holz-Haufen. 

Das Versorgen der Igel ist durchaus zeitaufwändig: Bei zehn Igeln sind es mit Futter herrichten, medizinisch versorgen und zwei Mal täglich misten schon mal locker drei Stunden. Standardmäßig entstehen Kosten bis zum Auswildern von 30 bis 50 Euro, bei sehr kranken bis hin zu schwerverletzten Tieren kommen etwa 200 bis 250 Euro zusammen. „Selber schuld, warum tust du das?" oder „Ist doch bloß ein Igel", bekommt Lisa Ruder immer wieder einmal zu hören. „Jedes Tier hat ein Recht auf Lebensraum". Wenn man die tatkräftige Lisa Ruder kennenlernt, spürt man sofort, dass es sich nicht um ein reines Lippenbekenntnis handelt: Sie nimmt alle Unannehmlichkeiten auf sich: Neben der Arbeit auch die gesamte Palette an Emotionen: das Mitgefühl mit der hilflosen Kreatur bis hin zur Freude, wenn die Igel wieder ausgewildert werden, zu etwa 75 Prozent da, wo sie gefunden wurden.

Igeldame Lisa: Noch deutlich sind die Verletzungen durch einen Freischneider zu erkennen. Sobald die Wunden verheilt sind, kann sie sich wieder in freier Wildbahn bewegen. Bild: © Ingrid Schieder
Neugierig beobachtet Igeldame Lisbeth ihre Umgebung. Noch macht ihr ein Schnupfen zu schaffen, eine Zahnsanierung beim Tierarzt sorgt für Abhilfe. Bild: © Ingrid Schieder
Noch einmal Lisbeth: Diesmal ein wenig misstrauisch bewegt sie sich in Richtung ihrer Pflegerin Lisa Ruder. Sobald sie sich erholt hat, wird auch sie wieder ausgewildert.    Bild:  © Ingrid Schieder