Transit ins Nirgendwo

Regensburg. Seit dem 1. August ist das Transitzentrum in der Zeißstraße in Betrieb und beherbergt derzeit gut hundert Menschen, vorwiegend aus Äthiopien. Auch in Deggendorf, Bamberg und Ingolstadt betreibt die bayerische Landesregierung solche Einrichtungen.

Mithilfe dieser Rückführungszentren, wie sie von der Politik auch bezeichnet werden, will die CSU Abschiebungen forcieren. Das Modell könnte eventuell bald auch bundesweit eingeführt werden. Dabei gibt es am Umgang mit den Menschen in diesen Lagern von vielen Seiten mittlerweile deutlich Kritik. Die Landesregierung verwahrt sich dagegen.

Zwar hat man sich bei den Unionsparteien auf eine „atmende“ Obergrenze verständigt, doch ist fraglich, ob die Grünen und die FDP hier mitziehen werden. Schon aus rechtlicher Sicht stehen die Pläne für eine Obergrenze auf sehr wackligen Beinen: Immer wieder lassen Sachverständige wissen, dass eine Begrenzung der Zuwanderung sowohl Grundgesetz als auch EU-Recht widerspreche.

Rechtlich wohl schwer anfechtbar scheinen hingegen die sogenannten Transitzentren, wie jenes in der Regensburger Zeißstraße. Die Bedingungen für die Bewohner seien dabei „bisweilen rechtswidrig“, wie Vertreter verschiedener Initiativen kürzlich bei einer Podiumsdiskussion im Evangelischen Bildungswerk ausführten. Oftmals sei den Menschen in diesen Einrichtungen gar nicht bewusst, wo sie sich befinden. Auch haben sie keinerlei Ahnung, welche Rechte ihnen zustehen. Karin Prätori vom Regensburger Bündnis gegen Abschiebelager bemängelt auch, dass den Personen „nur eine Woche Zeit gegeben wird, um Einspruch gegen die Abschiebebescheide zu erheben. Viele Klagen werden abgelehnt, da in der kurzen Zeit und aufgrund mangelnder Rechtshilfe keine umfangreiche Widerspruchserklärung gegeben werden kann.“

Der bayerische Flüchtlingsrat sieht in den Abschiebelagern eine weitere Aushöhlung des Asylrechts, die 1993 mit der Einteilung in sichere und unsichere Herkunftsländern, begonnen und mit den Dublin-Gesetzen weitergeführt worden sei. „Nun“, so Kathrin Rackerseder, „sind wir an einem Punkt, an dem Menschen teilweise mehrere Jahre in diesen Einrichtungen verbringen müssen, da entweder ihre Verfahren unglaublich lange dauern oder sie die Staaten, in die sie abgeschoben werden sollen, nicht aufnehmen.“ Auf diese Weise landen viele Menschen in der Isolation und verzweifeln an ihrer misslichen Lage. So auch viele Äthiopier, die am 20. Oktober am Haidplatz eine Kundgebung organisiert hatten, um auf ihre aktuelle Situation aufmerksam zu machen.

Auch dass nach Ansicht der Kritiker eine Berufserlaubnis, Sprachkurse oder Ausbildungen erschwert bzw. nicht gewährt werden, trage zur Isolation dieser Menschen bei. Dadurch führten die Geflüchteten einen öden und tristen Alltag in diesen Einrichtungen, denn auch zu den umliegenden Anwohnern besteht kein Kontakt. Die bayerische Landesregierung erhöht seit einiger Zeit den Druck auf Sozialstellen. So wurde im März dieses Jahres eine Mail an alle Träger der Asylsozialberatung verschickt, mit der Botschaft, man werde Gelder kürzen, sollten den Asylsuchenden weiterhin Hinweise gegeben werden, auf welche Rechtsmittel sie sich beziehen können: „Mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar ist es, […] wie und welche weiteren Rechtsmittel eingelegt werden können, [zu] kommunizieren. […] Eine Weiterverbreitung von Hinweisen zur Abschiebungsvereitelung oder -verzögerung durch die Asylsozialberatungsstellen läuft diesem Zweck zuwider. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall […] ein Widerruf der entsprechenden Verwaltungsakte in Betracht kommt.“

Hier die ganze Email:



Versendet wurde diese Mail vom bayerischen Ministerium für Soziales, in dessen Zuständigkeitsbereich auch die Abschiebelager fallen. Im Detail heißt das, dass die Stellen, deren ausdrücklicher Arbeitsauftrag es ist, die Asylbewerber umfangreich zu beraten und bei entscheidenden Fragen zur Seite zu stehen, nun von der bayerischen Regierung für ihre Handlungen gerügt werden. Man könnte also auch interpretieren: Es ist alles andere als erwünscht, die Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Hier setzt das Bündnis gegen Abschiebelager an und versucht mit regelmäßigen Infoständen direkt vor dem Lager v.a. die Bewohner darüber zu informieren, welche Rechte ihnen zustehen. Ähnliches gibt es in Ingolstadt schon länger und das Interesse ist groß.

Während hier im Kleinen versucht wird, die Isolation und Abschottung ein Stück weit zu durchbrechen, bastelt die Regierung an der nächsten Verschärfung der Asylberatungsrichtlinie. Hierzu hat der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit München (AKS) bereits Stellung bezogen und übt scharfe Kritik an dem Vorgehen der CSU. In einer Pressemitteilung des AKS heißt es:

„Fachgerechte Beratung soll nur jenen zuteil werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen gesicherten Aufenthaltsstatus erreichen oder bereits darüber verfügen; alle anderen sollen lediglich über Rückkehr-Angebote informiert werden.“

Mehr und mehr drückt die CSU hier nach Ansicht ihrer Kritiker eine klare Einteilung der Geflüchteten durch. Die derzeit geforderte Obergrenze werde dadurch flankiert. Denn mithilfe der „Abschiebelager“ werde bereits darüber entschieden, wer letzten Endes eine Chance auf Asyl bekommen soll.

Stephan Theo Reichel, der kürzlich zurückgetretene Koordinator für Kirchenasyl, interpretiert die aktuellen Entwicklungen als politisch konstruiert. Lag die Anerkennungsquote für Menschen aus Afghanistan im Jahr 2016 noch bei etwa 80%, liegt sie mittlerweile bei unter 50%. „Das ist der Richtwert, nach dem Menschen in die Abschiebezentren gesteckt werden oder nicht.“

Das Lager in der Zeißstraße ist derzeit für etwa 800 Personen konzipiert. „Campus Asyl“, die die Menschen dort mit Kleidung, Spielsachen und sonstigen Dingen durch Spenden versorgen, sagen, dass die Bedingungen vor Ort zwar derzeit ok seien und man gut mit dem Personal der Einrichtung zusammenarbeiten könne. „Die Abschottung und das repressive Vorgehen der Politik führen bei den Betroffenen aber zu enormen Stresssituationen“, heißt es von Campus-Seite.

Das Bündnis gegen Abschiebelager sieht daher einen klaren Auftrag. „Uns geht es um einen emanzipatorischen Ansatz, der die Menschen ermächtigt, selbst für die eigenen Rechte zu kämpfen und wir unterstützen gerne, wo wir können,“ so Karin Prätori. „Wir wollen dieses System der Abschiebelager auf allen politischen und persönlichen Ebenen bekämpfen und die politisch gewollte Isolation durchbrechen.“ Das fängt schon beim Namen an. „Denn“, so Prätori weiter, „das ist kein Transit, das ist kein Durchgang. Das ist ein Abschiebelager, in dem Menschen bereits bei ihrer Ankunft in Deutschland landen und niemals die Möglichkeit bekommen, in Austausch mit der Bevölkerung zu kommen.“

Zwar liegt die Zuständigkeit für die bestehenden Einrichtungen beim Freistaat, doch sind sich hier viele Gegner des Abschiebelagers einig, dass die Stadt und auch die Regierung der Oberpfalz klarer Stellung beziehen könnten und müssten, anstatt sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. So hatte der Regensburger Stadtrat einen Beschluss verabschiedet, in dem sich die Stadt klar gegen Abschiebungen nach Afghanistan stellt.

Seitdem hält man sich seitens der Stadt jedoch sehr still, wenn es um Stellungnahmen zum Abschiebelager geht. Dass die Stadt mehr tun könnte, zeigt München. Die Landeshauptstadt setzt sich wo auch immer möglich dafür ein, die Geflüchteten in Ausbildungsverhältnisse zu stecken.

Lustiges Treiben im Rathaus
Bedeutendes Ja und Deutsche Meisterschaft