Freiheitsentzug und Tod: Geflügelpest-Verordnung verbaut Spielräume

Nittenau. Bei diesem Virus kennen die Behörden keinen Spaß. Ist er einmal ausgebrochen, müssen alle auf dem Hof einen amtlich angeordneten Tod sterben – also alle, die Federn tragen. Beim H5N8 Virus differenziert die Geflügelpest-Verordnung viel zu wenig, kritisiert der Vorsitzende des Kleintierzuchtvereins Nittenau und Umgebung, Gunther Stangl, im Hauptberuf Garten- und Landschaftsbauer, nebenbei Hühnerhalter und Züchter von edlen Vogelrassen.



Seit Anfang März in einem Großbetrieb im Stadtgebiet 50.000 Hühner gekeult wurden, ist der Alltag auf der Stangl-Ranch auf den Kopf gestellt. Auch wenn das Geflügelpest-Sperrgebiet vor kurzem wieder aufgehoben wurde, bleibt der Landkreis Schwandorf doch Beobachtungsbezirk. Das bedeutet: Weiterhin Stallpflicht für jedwedes Geflügel, was auch auf anderen Höfen (z.B. der Haflingerhof Doll) zu erheblichen Belastungen für Tiere und Menschen führt. 

Stangl sieht ein, dass die H5N8 eine besonders aggressive und ansteckende Variante darstellt, weshalb auch er dafür ist, Wassergeflügel strikt von Wildenten, Wildgänsen, Schwänen und dergleichen zu separieren. Ob es aber auch sinnvoll sei, „zehn Zwerghühner" in einen Stall zu sperren mit zweieinhalb Zentimetern Maschenweite, das lässt er aber dahin gestellt. Mäuse und sogar Insekten könnten das Virus auch in die Ställe bringen.

„Nicht ganz auszuschließen, aber praktisch nur möglich, wenn die Mäuse und Insekten durch Ausscheidungen von krankem Geflügel kontaminiert sind", kommentiert Hans Prechtl vom Landratsamt nach Rücksprache mit dem Veterinäramt. 

Die Vorgabe von 25 mm Maschenweite werde dem nicht ganz gerecht.

Die bei weitem größte Gefahr für Hausgeflügel geht laut Prechtl aber vom Wildgeflügel aus, weshalb der direkte und indirekte Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen unbedingt vermieden werden muss.

Das sieht auch Stangl so, aber nur in Bereichen, wo auch Wildvögel hinkommen – das sei nicht überall gegeben, sofern man nicht Singvögel dazuzählt.

Hühner im Stall: Ein Tierpfleger kümmert sich auf Stangls Hof darum, dass die rund 80 Hennen sich nicht gegenseitig an die Federn gehen in der Enge des Raums. „Für ihre Vitalität brauchen die Vögel gerade jetzt im Frühjahr Grünfutter", sagt er. Deshalb gabelt sein Angestellter täglich Grasschnitt in den Stall – und riskiert so aber auch einen Viruseintrag. Daher könnten die Tiere auch gleich draußen ein artgerechteres Leben führen, meint Stangl.


Auf seinem Hof finden sich auch einige Wachteln und Fasane, aber auch spezielle Taubenzüchtungen. So eine Edel-Taube kann schon einmal an die 500 Euro wert sein. „Wenn jetzt eine meiner Hennen betroffen wäre, müsste ich nach der geltenden Verordnung alles keulen, was auf meinem Hof Federn hat", so Stangl. Die Entschädigung aus der Tierseuchenkasse sieht zwischen 10 Euro pro Legehenne und 50 Euro pro „wertvollen" Vogel vor.

Hier würde Stangl sich, ähnlich wie es vielen Menschen bei den Anti-Corona-Maßnahmen geht, mehr Differenzierung wünschen. „Ich könnte mir vorstellen, dass man bei einer positiv getesteten Henne die Tauben streng absondert, unter Quarantäne stellt und regelmäßig testet, statt sie gleich zu töten", so der KZV-Vorsitzende. Er kritisiert auch, dass die Tierseuchenkasse erst einspringt, wenn es zu spät ist und Vögel gekeult werden. Präventionsmaßnahmen bleiben ohne finanzielle Hilfe.

Die Stallpflicht bzw. die Lage im Beobachtungsgebiet würden nächste Woche noch einmal aktuell bewertet, kündigte Prechtl an.

Ausnahmen sind für kleine Betriebe sehr aufwändig

Im Beobachtungsgebiet darf Stangl derweil auch keine Eier verkaufen. Von dieser Regel gäbe es zwar eine Ausnahme, auch für die Vermarktung von Geflügel. Die entsprechende Genehmigung kostet aber, laut Hans Prechtl vom Landratsamt 50 Euro. Zudem müssten hierfür etliche Auflagen erfüllt werden, die Prechtl wie folgt angibt:

  • Eier zum menschlichen Verzehr = Konsumeier: Befördern in behördlich benannte Packstelle und dort Verpacken in Einwegverpackungen oder Abgabe an nach Lebensmittelrecht zugelassenem Eiproduktebetrieb (Betriebe, die Flüssigei und ähnliche Produkte herstellen).
  • Geflügelfleisch: Klinische Untersuchung des Schlachtgeflügels 24 Stunden vor dem Versand zu Schlachtung, mit negativem Ergebnis betreffend Geflügelpest
  • das Schlachtgeflügel muss in Schlachtbetrieb im Beobachtungsgebiet oder behördlich bezeichneten Schlachtbetrieb außerhalb des Beobachtungsgebiets gebracht werden
  • die für den Schlachtbetrieb zuständige Behörde muss dem Versand des Schlachtgeflügels zugestimmt haben
  • die für den Versandort zuständige Behörde wird sofort über die stattgefundene Schlachtung informiert.

Diese Bedingungen bevorzugten die Großbetriebe und benachteiligten die kleinen Höfe. Hier hätten die Tiere zu normalen Zeiten zwar das schönere Leben, durch den industriellen Maßstab und die damit verbundenen Skaleneffekte profitierten aber die riesigen Wettbewerber auch hier.

Viren-Gefahr steigt stetig

Die Viren-Gefahr steigt immer mehr an. Stangl hat in seiner Züchter-Karriere schon mehrere Wellen erlebt, muss sich als Freiland-Schweinehalter aktuell auch mit der drohenden Afrikanischen Schweinepest herumschlagen. Doppelte Zäunung am Gehege, spezielle Aufmerksamkeit beim Futter, Betretungs- bzw. Befahrungsverbot des Geländes für Fremde, Desinfektionswannen und dergleichen mehr: Landwirt zu sein, das war auch schon einmal einfacher. Dazu kommen Bedrohungen wie Pferde-Herpes oder Rinder-Tuberkulose, die auf den Menschen übertragbar ist.

Viele namhafte Experten gehen davon aus, dass die Viren-Last und die Aggressivität dadurch verstärkt werden, dass der Mensch der Natur immer mehr Lebensräume abringt, um sie zu versiegeln und kommerziell zu nutzen. Dass die Folgen dann vor allem die Landwirte hoch belasten, die ihren Tieren ein naturnahes Leben ermöglichen, verbittert Stangl und viele seiner KollegInnen.

Die Verantwortung sieht er in der „hohen Politik", dort, wo Verordnungen wie die zum Thema Geflügelpest herkommen. Das Schwandorfer Veterinäramt lobt er jedoch ausdrücklich: Bei einer kürzlich auf seinem Hof erfolgten Reihentestung der Vögel seien die Tierärzte sehr sensibel und rücksichtsvoll mit den Tieren umgegangen.

Nach zwei schlaflosen Nächten habe er zudem die Mitteilung erhalten, dass sein Bestand „sauber" sei. Stangl hofft jetzt auf die Wärme der kommenden Wochen: Ab 15 Grad sterbe das H5N8 nämlich ab. In Osteuropa, so Prechtl auf Nachfrage des Ostbayern-Kuriers, sei auch dieses Virus vereinzelt auf Menschen übergesprungen.

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