Gemeinderatsmehrheit trotz fehlenden Ortskern-Konzepts für Gasthof-Abriss

Bodenwöhr. „Wenn wir das machen, verstehe ich die Welt nicht mehr“. Christian Lutter von den Freien Wählern dürfte es seit Mittwoch so gehen, denn die Mehrheit seiner Fraktion, die komplette CSU-Fraktion und SPD-Mann Michael Mulzer haben es getan. Sie haben mehrheitlich dem vom Investoren-Duo Michael Kraus und Michael Erhardt beantragten Abriss des Gasthauses Schiessl zugestimmt, ohne dass die neuen Eigentümer des über 300 Jahre alten Hauses mitten am Ortskern dem Gemeinderat irgendein greifbares Konzept vorgelegt hätten.

 

Gleich zu Beginn der Gemeinderatssitzung hatte Alois Feldmeier (BLB) die Absetzung auch dieses Tagesordnungspunktes beantragt, seine Begründung konnte er nicht mehr loswerden, weil ihm Sitzungsleiter zweiter Bürgermeister Albert Krieger (FW) das Wort entzogen hatte (siehe weiterer Artikel zur Sitzung). Den Antrag hatte eine große Mehrheit abgeschmettert.

Als der Punkt aufgerufen wurde, versuchte sich Feldmeier in einer versöhnlichen Taktik. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Abriss, wir wissen aber nicht, was dort gebaut werden soll“, sagte er. Die Gedankenspiele, die Kraus wohl gegenüber dem Gremium geäußert habe, beinhalten offensichtlich den Erwerb weiterer Immobilien im Ortskern-Bereich. Von Evelyn Lorenz (Bäckerei) wusste Feldmeier aber zu berichten, dass die „auf gar keinen Fall“ verkaufen würde.

„Lasst uns zusammen Gedanken machen, wie wir den künftigen Ortskern haben wollen, bevor wir den Weg für einen Abriss frei machen. Wir können es uns doch nicht leisten, dass hier IRGENDWAS hingebaut wird“, appellierte Feldmeier an seine Kollegen.

Lutter sagte, was immer Kraus und Erhardt dort bauen würden, es werde „absolut ortsbildprägend“ sein. Er stieg auf die Begründung ein, die die Investoren für ihren Antrag eingereicht hatten. Darin heißt es: „Eine der ursprünglichen Zweckbestimmung entsprechende oder ihr gleichwertige Nutzung kommt aber für das ehemalige Wirtshaus nicht in Betracht. In den vergangenen Jahrzehnten wechselten die Pächter mehrmals, zuletzt musste der Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden. Angesichts der demographischen Entwicklung und  des ökonomischen Umfelds im Landkreis Schwandorf ist eine Wiederinbetriebnahme des Gasthauses nicht zu erwarten.“

Eine Einschätzung, die aufhorchen lässt. Einerseits sieht das Investoren-Duo die Lage an dieser Stelle derart trübe, andererseits ist bei den losen Absichtserklärungen von Kraus/Erhardt, für die sich CSU-Mann Georg Hoffmann bereits im Vorfeld medial stark gemacht hatte, immer wieder von Wirtshaus, Café, Bräustüberl und ähnlich gesellig Anmutendem die Rede, was hier entstehen könnte. Neben einem Supermarkt und einem Rathaus natürlich. Im neuen Sondergebiet Nahversorgung und Gewerbegebiet, das Kraus in der Verlängerung der Weihersiedlung bauen möchte, ist ebenfalls von „Restaurant, Café und Imbiss“ die Rede. Eine Nachfrage des Gemeinderats angesichts dieses offensichtlichen Widerspruchs gab es aber nicht.

Stattdessen erklärte Lutter, dass er die rabenschwarze Perspektive für ein Wirtshaus nicht teile. „Die letzten zehn Jahre ist das Gasthaus super gelaufen“, sagte er. Aber selbst, wenn keine Gastronomie kommen solle, sei doch die Fassade zu erhalten. Er kritisierte das Fehlen einer konkreten Skizze. „Ich halte die bisher bekannten Sachen absolut für nicht ausreichend, um als Basis für eine solche Entscheidung zu dienen“, sagte er.

Michael Mulzer (SPD) erklärte, die neue Information, dass Evelyn Lorenz nicht verkaufen wolle, lasse seine Waagschale auf „gegen Abriss“ sinken. „Ich war der Meinung, es wird das Gesamtgebiet in Angriff genommen.“ Feldmeier ergänzte, Lorenz warte immerhin seit Februar auf die Genehmigung für eine Eisdiele im angegliederten Laden – warum solle sie das tun, wenn sie verkaufen wolle?

Krieger warf als Zwischenruf ein, er habe bzgl. der Verkaufsabsichten von Lorenz „andere Informationen“. Georg Hoffmann (CSU) zweifelte offen an Feldmeiers Aussage. „Ich glaube Albert (Krieger) mehr“, sagte er. Feldmeier wollte daher von Krieger wissen, was sein Kenntnisstand sei. „Dass Verhandlungen laufen“, sagte Krieger, räumte dann aber ein, dass dies ein älterer Stand sei. „Und ich kenn das Ergebnis“, so Feldmeier. Wenn ihm die Räte aber nicht glauben würden, sollte das Gremium den Punkt Abriss vertagen, dann könne jeder gern selbst bei Evelyn Lorenz anrufen, schlug Feldmeier vor, fand damit aber kein Gehör.

Hans Fritsch (FW) wollte wissen, wie das mit dem Denkmalschutz für das Wirtshaus gelaufen sei. Feldmeier führte aus, als es um das gemeindliche Vorkaufsrecht ging, habe er die Behörde angerufen und gefragt, ob mit Denkmalschutz für den Gasthof zu rechnen sei. Wer ein über 300 Jahre altes Gebäude in einer derart prägenden Lage kaufen wolle, müsse sich solche Gedanken machen und das vor dem Kauf klären, so Feldmeier. Als gewissenhafter Gemeinderat sei das seine Pflicht gewesen. Wenn der Investor das anders mache, sei das seine Sache. Die Behörde wurde anscheinend aber erst durch den Anruf auf den Gasthof aufmerksam und nahm ihn in die Denkmalliste auf.

Hans Fritsch befürchtete, dass die Investoren das Gebäude verfallen lassen würden, wenn ihnen der Gemeinderat keine Abrissgenehmigung erteilen würde. Andreas Seitz (CSU) sagte, Feldmeier benutze den Denkmalschutz „als Druckmittel“. Walter Spirk (CSU) fand es „schofelig, so etwas gegen den Investor aufzuziehen“. Er sei für die Abrissgenehmigung zum jetzigen Stand, um den Investoren den Rücken zu stärken. Von seinem Kompagnon Erhardt über den Verlauf der Sitzung informiert, betrat der zweite Investor und ehemalige CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Kraus kurz vor 22 Uhr den Saal.

Lutter insistierte noch einmal. Kein Plan, kein Konzept, kein Abriss, sagte er. Stefan Rauch (SPD) sagte, viele Leute, mit denen er gesprochen habe, wünschten sich an diese Stelle  wieder ein Wirtshaus. Aber nicht unbedingt in dem Gemäuer. Die Lorenz-Information habe seine Haltung gedreht. Er sei gegen den Abriss zum jetzigen Zeitpunkt.

Im Vorfeld der Entscheidung hatte der Ostbayern-Kurier das Vorhaben kommentiert.

Das Schlusswort oblag Albert Krieger (FW). „Ich bin der Überzeugung: Die Investoren wollen den Ort gemeinsam mit uns entwickeln“, äußerte er sich ähnlich wie zuvor Hoffmann (CSU). Er sei da „recht zuversichtlich“. Die Kritiker seien dabei, das Projekt „mies zu reden“. Es sei wohl leichter „Stimmung in der Bevölkerung zu machen“, er aber stehe zu seinem „Weg“. Er lobte Kraus und Erhardt als „namhafte Investoren“. „Es wäre kein gutes Zeichen für andere Investoren von außen, wenn wir heute diese Entscheidung nicht treffen würden“, so Krieger. Die Investoren hätten ja mit dem „Denkmalschutz schon den ersten Schlag bekommen“.

War es der Eindruck dieser Rede, das Erscheinen von Kraus oder ein anderer Grund? Bei der Abstimmung änderte Michael Mulzer (SPD) noch schnell seine Meinung erneut und stimmte mit der CSU-Phalanx (Georg Hoffmann, Walter Spirk, Johannes Gleixner, Andreas Seitz, Stefan Bollinger, Randolf Alesch), Albert Krieger, Sabrina Seebauer und Hans Fritsch (alle FW) für den Abriss ohne Vorlage eines spruchreifen Konzepts für die Ortskern-Entwicklung. Dagegen stimmten Alois Feldmeier, Stefan Haberl, Fredi Brosig (alle BLB), Stefan Rauch (SPD) und Christian Lutter (FW).

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