Piaggio stürzt um: Drei Verletzte

Regensburg. Das Gedenken an die Regensburger Opfer der sogenannten T4 Aktion im Zweiten Weltkrieg jährte sich am 4. November. Auf Seiten des Krankenhauses hielt man sich dieses Jahr ruhig.

Der 04. November 1940 steht in der Regensburger Historie und insbesondere der des Bezirkskrankenhauses für eine Zäsur. An jenem Tag verließ der erste von insgesamt fünf T4 Transporten die damalige Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll in Kumpfmühl. Mit dieser Aktion wurde das Euthanasieprogramm des NS-Regimes auf eine neue Stufe gebracht.

Operation T4

Die Aktion T4, benannt nach der geheimen Operationszentrale in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, war der Prototyp der deutschen Vernichtungsmaschinerie, wie sie im weiteren Verlauf systematisch in den Konzentrationslagern und weiteren Einrichtungen durchgeführt wurde.

Die Aktion T4 diente der Vernichtung dessen, was die Nazis als „lebensunwertes Leben“ bezeichneten. Hierunter fielen geistig Beeinträchtigte, schwer Kranke, aber auch politisch Verfolgte, denen ein passendes ärztliches Gutachten angehängt wurde. Die hier betriebene Eugenik und „Rassenhygiene“ begann dabei schon einige Jahre vorher. So erfolgten auch in Regensburger Einrichtungen Zwangssterilisationen, um die Fortpflanzung von Menschen, die aus Sicht der Nationalsozialisten minderwertig waren, einzudämmen. Biologen schürten die Ängste vor einem Verfall der Gesellschaft durch die angeblich höhere Geburtenrate bei „Minderwertigen“.

Versuche für Holocaust

Strategisch günstig gelegene Einrichtungen im gesamten Reichsgebiet wurden auf die Organisation, Verwahrung und schließlich die Tötung von tausenden von Menschen ausgerichtet. Insgesamt sechs Tötungsstätten, darunter das im heutigen Oberösterreich gelegene Schloß Hartheim, gab es 1940. Dort wurden erste Versuche in der industriellen Tötung von Menschen unternommen und wichtige Erkenntnisse für das spätere Vorgehen bei der sogenannten Endlösung, der Verfolgung und Tötung mehrerer Millionen Jüdinnen und Juden, gesammelt.

Die fünf Transporte aus Regensburg brachten in den Jahren 1940 und 1941 insgesamt 641 Menschen (das entspricht ca. 40% der gesamten Patientenzahl, die in diesem Zeitraum in Karthaus-Prüll behandelt wurde) nach Hartheim und somit in den sicheren Tod. Insgesamt fielen 70.273 Männer und Frauen der Aktion T4 zum Opfer.
Nachdem die T4 Aktion im August 1941 auf Geheiß Hitlers beendet worden war, nutzte man die bestehenden Einrichtungen jedoch weiter. Schließlich hatte man hier mittlerweile viel Erfahrung in der massenhaften Vernichtung von Menschen gesammelt. Unter dem Kürzel 14f13 wurde auch in Hartheim systematisch weitergetötet. Nun wurden vor allem Kriegsgefangene, vermeintliche Volksverräter und KZ-Häftlinge in die Tötungsstätten deportiert.

Hungerkost-Erlass

Die Anstalt Karthaus-Prüll musste nach der Beendigung der Aktion T4, wie viele andere Einrichtungen in Bayern, nun mit einer zunehmenden Überbelegung fertig werden. Da man jedoch von staatlicher Seite keineswegs vorhatte, mehr Gelder in die „Pflege von unwertem Leben“ zu investieren, trat am 30. November 1942 der sogenannte Hungerkost-Erlass des bayerischen Innenministeriums in Kraft. Die Einrichtungen wurden dazu angehalten, die Rationen auf ein Minimum zu reduzieren und sorgsam auszuwählen, welchen Patienten sie genug zu essen gaben. So sollte eine entsprechende Zahl von Menschen den Hungertod finden.

Den Studien zur Geschichte der Psychiatrie im Nationalsozialismus von Dr. Clemens Cording, ehemaliger Arzt des Bezirkskrankenhauses Regensburg, zufolge, wurde der Hungerkost-Erlass in Regensburg nur kurze Zeit praktiziert.

Zwangssterilisierungen

Die Euthanasie des Nationalsozialismus war ein umfangreiches Konzept, das auch wissenschaftlich breit diskutiert und ausgearbeitet wurde. Das „lebensunwerte Leben“, wie es die Nationalsozialisten nannten, stellte nach deren Vorstellung eine enorme Gefahr für den „deutschen Volkskörper“ dar, den es „rein zu halten“ galt. Dies begann bereits mit dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1934, das Zwangssterilisationen anordnete und das auch von Dr. Reiß, dem damaligen Regensburger Anstaltsleiter, positiv bewertet wurde, wie Dr. Cording festhält. Etwa 600 Patienten wurden in Regensburg auf Grundlage dieses Gesetzes zwangssterilisiert.

Doch wie geht man nun mit der Historie eines Ortes wie Karthaus-Prüll um? Das heute dort gelegene Bezirkskrankenhaus nebst Psychiatrie tat sich lange schwer, einen Umgang mit der Geschichte zu finden. So wurde die NS-Vergangenheit der Klinik erst 1977 in einem Artikel der klinikeigenen Rundschau zum 125-jährigem Bestehen der Anstalt thematisiert. Zum 50. Jahrestag des ersten Transportes von Regensburg nach Hartheim wurde am 4. November 1990 eine Gedenktafel eingeweiht, die am 4. November 2015 feierlich durch eine neue Gedenkstätte ersetzt wurde.

Doch bis heute bleibt ein breiterer Diskurs über die Geschichte und die Hintergründe dieser Stätte aus. Auch hier zeigt sich, wie schwer sich Regensburg tut, die eigene NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.

Die Pressestelle der medbo, des Trägers des Bezirkskrankenhauses, ließ auf Anfrage wissen, dass man dieses Jahr zumindest einen Kranz am 04. November an der Gedenkstätte niederlege und am Sonntag im Rahmen des Gottesdienstes der Opfer gedacht werden soll. Zudem wolle man an markanten Jahrestagen - in diesem Zusammenhang verbietet es sich, von „Jubiläen“ zu sprechen - das Gedenken der Opfer weiter größer thematisieren.

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