Flüchtlings-Wohnheim Bergham: Sprachlosigkeit und Ungereimtheiten

 

Das Gelände der ehemaligen Gefügel-Schlachterei an der Thanner Straße in Nittenau/Bergham ist inzwischen an die FeBau GmbH verkauft, vorbereitende Maßnahmen für den Umbau der Schlacht-Fabrik zum Flüchtlingswohnheim laufen mit Billigung des Landratsamtes auf Hochtouren. Das Projekt schafft vorläufigen Wohnraum für Menschen, die zum größten Teil die sprichwörtliche Hölle auf Erden hinter sich haben. Es treibt aber auch einen Keil zwischen einen nicht geringen Anteil der Berghamer Anwohner und die Stadt – im Sinne von Bürgermeister und Stadtrat. Und es wirft - soweit die Recherchen des Ostbayern-Kuriers – doch Fragen auf.

 

Klaus Lehmer hat am 10. Juni mit Silke Lichtenwald die Facebook-Gruppe „Du bis ein echter Berghamer, wenn....“ gegründet. Bis Ende Juli gehörten ihr 253 Mitglieder an. Das virtuelle Schisma von der „Nittenauer“-Seite kam, als deren Administrator einen Thread gelöscht hatte, bei dem die Berghamer (und alle anderen) aufgerufen waren, sich zum Thema Flüchtlingswohnheim zu äußern. Und das ist nun die Crux im Städtchen Nittenau: Wo enden die berechtigten Sorgen, wo beginnen rechte Ressentiments? Ein Spannungsfeld, das die Bürgerinnen und Bürger gerade teilt.

Nittenau – oder besser Bergham – hat Erfahrungen in Sachen Asylbewerberheim. Von den 1990ern bis 2006 sorgte die Einrichtung an der Fischbacher Straße – heute ein Bau mit Prunkfassade und relativ hochpreisigen Appartements – für beinahe täglichen Gesprächsstoff. „Das, was wir in den 90er Jahren an Asylwelle erlebten, war viel größer als das, was heuer bislang passiert ist“, erinnert sich ein Gesprächspartner des Kuriers, der direkt damit zu tun hatte, aber nicht genannt werden möchte.

Diese Erfahrungen ergeben – kombiniert mit „klassischen“ Klischees, die in Zeiten größerer Asyl-Antragsaufkommen regelmäßig vom rechten Rand der Gesellschaft in die Mitte wandern – eine deutliche Ablehnung des Fechter-Vorhabens. Gerade aber die verallgemeinernden Äußerungen, die den Nicht-Diplomaten im Kreis der Gruppe leicht über die Tasten rutschen, erwecken bei optimistisch eingestellten Menschen (die in besagter Facebook-Diskussion meist jenseits des Regens in Kern-Nittenau wohnen) den Reflex zum Widerspruch, von dem es dann manchmal nicht weit ist zum erhobenen Moralin-Zeigefinger. Die Lager formieren sich, Argumente schaukeln sich gegenseitig hoch und eine Diskussion scheitert an der Eskalation.

Lehmer – seit vielen Jahren Sprecher der Interessensgemeinschaft Bergham und Muckenbach – hat das Internet-Ding also mit der virtuellen Unabhängigkeit gelöst. Einen Gedankenaustausch vermisst er aber mit der offiziellen Stadt Nittenau. Die habe im Vorfeld zur Stadtratssitzung, als es um die Umwidmung des Baus zu einem Wohnheim ging, keinen Piep zur Bevölkerung gesagt.

„Was hätte ich sagen sollen“, entgegnet Bürgermeister Karl Bley. Wenn der Antrag durch sei und man wisse, wovon man rede, kann er sich eine Informationsveranstaltung vorstellen. Bauplanungsrechtliche Gründe für einen Widerspruch gegen das Projekt gebe es nicht, so der Bürgermeister zum Ostbayern-Kurier. Ein Wohnheim für Asylbewerber werde staatlicherseits wegen der herrschenden Raumnot sogar im reinen Gewerbegebiet ermöglicht – in einem Mischgebiet ist es also erst recht umsetzbar.

Beinahe wäre es anders gekommen an der Thanner Straße. Schon vor zwei Jahren hatte der Stadtrat diskutiert, ob die Kommune das Gelände kaufen und entwickeln solle. Da die Stadt aber bei großen eigenen Projekten kleine freie Mittel hat und „es damals wie heute kein weiteres Nutzungskonzept gab“, nahm die Stadt Abstand von den Plänen. Das Vorkaufsrecht wurde jetzt nicht in Anspruch genommen. Ein Bauunternehmer aus Walderbach, der überlegt hatte, dort Wohnungen zu bauen, sei „einfach zu spät dran gewesen“, so Bley, und habe sein Interesse „inzwischen zurückgezogen“.

Die Nutzungsänderung, die Rosemarie Fechter von der FeBau GmbH beantragt hat, liegt derzeit zur Prüfung im Landratsamt. Sprecher Hans Prechtl hat bereits öffentlich geäußert, dass mit dem Bescheid bereits in der zweiten August-Hälfte zu rechnen sei. Sein Stellvertreter Franz Pfeffer ergänzt gegenüber dem Ostbayern-Kurier, dass dann auch die Nachbarn die entsprechenden Bescheide mit Einspruchsmöglichkeit bekommen.

In dem Antrag ist von zwölf Einzelzimmern und 20 Appartements die Rede, er wurde laut städtischem Bauamt für 75 Bewohner gestellt. Und hier fangen die Rätsel an, die sich um das Vorhaben ranken. Laut der Verordnung des bayerischen Sozialministeriums von 2010, die immer noch gültig ist, stehen einem Asylbewerber in einer solchen Unterkunft zum Wohnen und Schlafen sieben Quadratmeter zu. In einem Raum „sollen nicht mehr als vier Personen“ untergebracht werden. Auf Familienverbünde, Geschlecht, Nationalitäten, und Religionen ist bei der Zimmer-Zuteilung zu achten.

Ob etwaige Gemeinschaftsräume anteilig zu diesen sieben Quadratmetern zu zählen sind, darüber herrscht bei einigen Behörden in der Oberpfalz, die wir dazu befragt haben, Uneinigkeit. Eine Zahl lässt indes jedoch aufhorchen: Der Fechter-Antrag weist im Endausbau eine Hauptnutzfläche von 2.148 Quadratmetern aus. Selbst wenn Treppenhäuser, Funktionsräume usw. die Hälfte dieser Fläche ausmachen würden – ein illusorischer Ansatz – dann blieben noch 1074 Quadratmeter Wohn-/Schlaffläche übrig – genug, um gesetzeskonform über 150 Flüchtlinge unterzubringen.

Wie viele werden es letztendlich? „Für uns ist es schwer, das aus dem Antrag herauszulesen“, sagt Pfeffer. Die Bettenzahl sei nicht Teil des Umwidmungsantrags. Aufschluss könnte der Brandschutz liefern – den weist der Bauherr aber über ein Brandschutzgutachten nach. Nur ein Anhaltspunkt findet sich in den Unterlagen im Landratsamt, der bei genauerem Hinsehen aber auch nicht viel aussagt: Für die Umwidmung sind Pkw-Stellplätze für 68 Bewohner beantragt. Asylbewerber mit Autos? „Dass es ein Wohnheim für Flüchtlinge wird, ist im Genehmigungsverfahren nicht wichtig. Da ist es erst einmal ein Wohnheim“, so Pfeffer. Dafür müssen pro zwölf Bewohnern ein Stellplatz ausgewiesen werden, also sechs in diesem Fall – auch wenn wohl keiner der Bewohner dort jemals im Auto vorfahren wird.

Also doch luxuriöse Wohnverhältnisse für die Neu-Berghamer? Franz Pfeffer antwortet diplomatisch. Sollten mehr Einwohner in das Gebäude ziehen wollen, sei eine weitere Nutzungsänderung im vereinfachten Verfahren notwendig. Wenn der Immissionsschutz zum Beispiel wegen Lärms keine Vorbehlte gegen weitere „Stellplätze“ habe, eine Sache von maximal vier Wochen....

Sollten es mehr als 90 Bewohner werden, dann stellt die Regierung der Oberpfalz einen Heimleiter/Hausmeister, ähnlich wie in der Kaserne in Neunburg vorm Wald. Ein schwacher Trost, findet Klaus Lehmer. „Wir haben halt die Befürchtung, dass sich keiner kümmert, wenn´s einmal so weit ist“, sagt er. Er sagt, er würde es begrüßen, wenn vor allem Familien nach Nittenau bzw. Bergham kämen. „Aber bitte dezentral, dann können wir die Leute auch integrieren“, meint er.

In jedem Fall wäre es schon jetzt aus seiner Sicht notwendig, endlich die Nittenauer Polizeistation auch nachts – oder wenn es sein muss, nur nachts – zu besetzen. Alleine die Lawine an Einbrüchen in der Region mache das erforderlich. Lehmer würde sich mehr Bürgerentscheide wünschen, auch wenn ein solcher im Falle des Flüchtlingswohnheims nichts helfen würde.

Er betont, dass seine Mitbürger und er nicht fremdenfeindlich seien. Der Versuch der Neonazi-Partei „Der III. Weg“, die Berghamer zu instrumentalisieren, sei gescheitert - trotz einer geschickt eingefädelten Flugblatt-Aktion. Hoffnung bei der Bewältigung der kommenden Aufgaben sieht Lehmer im Berghamer Zusammenhalt: „Bergham und seine Bewohner werden sich dieser Aufgabe und auch weiteren Vorhaben stellen“.

 

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