WAAHNROCK - der Film zum 30-Jährigen

Wer heute Neubürgern der Stadt erzählt, dass BAP, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und die Toten Hosen schon in Burglengenfeld aufgetreten sind, und zwar vor mehr als 100.000 Zuhörern, der erntet nicht selten ein müdes Lächeln oder ein mitleidiges „davon träumst du wohl“. Doch es ist wahr. Sie waren alle da. Beim 5. Anti-WAAhnsinns-Festival am 26. und 27. Juli 1986 auf dem Lanzenanger.

Anlässlich des 30. Jahrestags des Festivals zeigt die Stadt Burglengenfeld am Donnerstag, 28. Juli 2016, um 20 Uhr im Bürgertreff am Europaplatz Helge Cramers Film „WAAHNROCK“.

Freilich ging es den Machern des Festivals damals nicht einfach darum, die Größen der deutschen Rock- und Popmusik in Burglengenfeld zu versammeln. Am 26. April 1986 hatte sich in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl (Ukraine) der bislang schwerste Unfall in der Geschichte der Kernenergie ereignet. Und, ebenso bedeutend: Im Dezember 1985 hatten im Taxöldener Forst die Bauarbeiten für die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf begonnen. Gegen dieses Projekt hatte sich bereits Anfang der 1980er Jahre in der Oberpfalz der Widerstand formiert – über alle Gesellschafts- und Altersschichten hinweg, vom Pfarrer bis zum Lehrer, vom Anhänger der Grünen bis hin zum Landwirt.

Das 5. Anti-WAAhnsinns-Festival auf dem Burglengenfelder Lanzenanger wird häufig als Höhepunkt des friedlichen Protests gegen den Bau der WAA bezeichnet. Das soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere rund um die eingezäunte WAA-Baustelle bei Wackersdorf teils bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, dass die politische Debatte hart war und auch dazu geeignet war, Familien zu entzweien. Den mitunter massiven Polizeieinsatz, das Kalkül der Politik, im Landkreis Schwandorf und seiner damals hohen Arbeitslosenquote vermeintlich leichtes Spiel bei der Durchsetzung des bundesweit umstrittenen Projekts WAA zu haben, thematisiert auch Helge Cramers Film „WAAHNROCK“.

„Es ist wichtig daran zu erinnern, das soll nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Renate Reichel, die zum Organisationsteam des 5. Anti-WAAhnsinns-Festivals gehörte und bei der Stadt die Aufführung des Films „WAAHNROCK“ angeregt hat. „Die Jüngeren wissen teilweise gar nicht, dass so ein Festival in dieser Größe bei uns in Burglengenfeld stattgefunden hat.“ Eine Woche kein Schlaf, viele Emotionen, super Erfahrungen gemacht, erste Kontakt mit Künstlern – so fasst Renate Reichel spontan ihre Erinnerungen zusammen. Und nicht weniger als die Entscheidung für einen komplett anderen Lebensweg.

Denn egal, ob man mit Renate Reichel spricht, mit Walter Dürr oder Arthur Theisinger, die damals mit Hilfe von viele anderen das 5. Anti-WAAhnsinns-Festival (und seine Vorgänger und Nachfolger) auf die Beine gestellt haben, ein Name taucht immer wieder auf: Roland "Balou" Temme, der Manager von BAP. Und er ist indirekt dafür verantwortlich, dass sich heute im Veranstaltungszentrum Pfarrheim Burglengenfeld die Stars von einst und heute die Klinke in die Hand geben.

 "Balou" wollte 1986 ganz genau wissen, wer da angefragt hatte, ob BAP bei einem Festival in der Oberpfalz spielen könnten, ob man diesen Leuten trauen könne. Er kam ins Jugendzentrum in Wölland, der Zentrale der WAAhnsinns-Festivals. "Balou" war offensichtlich sehr überzeugt von der Kompetenz der Menschen aus Burglengenfeld, die Wolfgang Niedecken und Co. in die vermeintliche Provinz holen wollten. Denn "Balou" machte es nicht nur möglich, dass BAP und viele andere Künstler der Plattenfirma EMI Electrola auf dem Lanzenanger auftraten.

"Balou ist an meinem Schicksal schuld“, schmunzelt Arthur Theisinger. Von "Balou" kam die Empfehlung: „Ihr müsst eine Konzertagentur aufmachen.“ Aus der Empfehlung wurde noch im Jahr 1986 die heutige Power Concerts GmbH. Und Theisinger holt inzwischen die Stars von damals und heute – nicht nur – ins VAZ.

 Bei Walter Dürr lösen die Erinnerungen an das 5. Anti-WAAhnsinns-Festival auch heute noch Gänsehaut aus. Etwa, weil „mir die Besucher ein Geburtstagsständchen gesungen haben vom 26. auf den 27. Juli um Mitternacht“. Dass sich da auf dem Lanzenanger im beschaulichen Burglengenfeld des Jahres 1986 etwas Historisches zutragen würde, ahnte Dürr schon im Vorfeld. Und zwar „nachdem ich in Bonn bei den Grünen, in Köln bei der EMI und auf der Loreley bei „Rock gegen Atom“ der SPD gewesen bin.“

Dort, wo einstmals die WAA geplant war, steht heute der Innovationspark Wackersdorf rund um das BMW-Werk. In der Burglengenfelder Kellergasse erinnert ein Denkmal „an den Widerstand gegen die WAA in Wackersdorf und das friedvolle Musikfestival im Jahre 1986".

Und Wolfgang Ambros, der 1986 schon in Burglengenfeld war, gastierte erst vor wenigen Tagen wieder im VAZ.

 Weitere Infos zum Festival im Aufsatz von Florian Hoffarth: „Ihr habt die Festung, wir haben das Fest – Das ‚Anti-WAAhnsinns-Festival' 1986 als Höhepunkt der Bürgerproteste gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf", in: Jahresband zur Kultur und Geschichte im Landkreis Schwandorf, Bd. 16/17 (2005/06), hg. vom Landkreis Schwandorf, S. 102–123.

Zum Nachlesen steht der Aufsatz auf der Website der Stadt Burglengenfeld.

 

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