Die Messerschmitt-Produktion in der Oberpfalz

Über siebzig Jahre nach der großen Katastrophe verblassen die Spuren des zweiten Weltkriegs immer mehr. Dass auf einem Gelände in Prüfening damals die Produktion der Messerschmitt Bf 109 in Großserie auf Hochtouren lief, weiß heute kaum noch jemand. Noch unbekannter: Die Außenstelle im Waldlager bei Bruck.

Die Messerschmitt Werke brachten damals Erstaunliches zu Stande. Der Blick auf diese Pioniere der deutschen Ingenieurskunst hat einen schalen Beigeschmack angesichts der tödlichen Ergebnisse. Doch ihre Produkte zählen zu den Glanzleistungen des Flugzeugbaus in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Inzwischen gibt es mehrere Bildbände über die Zeit der Entwicklung, der Fabrikation, des Aufstieges und den erstaunlichen Leistungen in den Werken Regensburg und am Fliegerhorst Regensburg-Obertraubling. Peter Schmoll, ehemaliger Leiter einer Werkfeuerwehr, steckt seit über 40 Jahren in dieser Geschichte vom Flugzeugbau bis hin zu den Luftangriffen. So entstand nach Zeitzeugenberichten im ersten Band der Messerschmitt-Trilogie sowie dem historisch-dokumentarischen Buch „Luftangriffe auf Regensburg” auch die umfassende Dokumentation „Messerschmitt-Giganten und der Fliegerhorst Regensburg-Obertraubling 1936 - 1945”.


Auch die legendäre Bf 109 entstand in den Hallen nahe des Klinikums der Barmherzgen Brüder. Die Produktion wurden Anfang 1943 in nur drei Monaten auf das Fünffache gesteigert. Die räumliche Kapazität war damit an ihre Grenzen gestoßen, eine neue Halle zur Installation der Tragflächen wurde gebaut. Am 17. August 1943 setzte der Luftangriff auf die Montagehallen aber der Produktion ein jähes Ende.

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Um 12:24 Uhr Ortszeit wurde an jenem Sommertag in Regensburg Luftalarm gegeben. Bereits sieben Minuten später startete, vom Messerschmitt-Werksflughafen aus, die Industrieschutzstaffel mit sechs Maschinen vom Typ Bf 109-G6. Eine dieser Maschinen schoss bei Hemau noch eine der angreifenden B-17 der Amerikanischen Air Force ab.
Zwölf der Bomber des US-Verbandes, die sich im Anflug auf Regensburg befanden, wurden noch vor Erreichen ihres Ziels von den Deutschen Soldaten abgeschossen. Weitere sieben feindliche Maschinen hatten vorher schon aufgrund technischer Probleme den Rückweg nach England angetreten. Ein Glück für Regensburg. Die ersten Bomben der insgesamt fast 1000 Sprengbomben fielen um 12.42 Uhr Ortszeit. Erst rund zwei Stunden später kam, nach dem Abdrehen der Staffel, die Entwarnung für die Regensburger Bevölkerung. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch, es kamen etwa 400 Regensburger ums Leben, darunter allein 91 Lehrlinge der Messerschmitt-Werke und viele, meist sowjetische Kriegsgefangene.


Der Schaden an zivilen Gebäuden war gering, lag das Werk damals ja noch am Rande der Stadt. Auch das Krankenhaus hatte kaum etwas abbekommen. Die Flugzeugproduktion jedoch war für mehrere Wochen lahmgelegt. „Das gesamte Werkgelände und der Industrieflugplatz glichen einer Kraterlandschaft!”, weiß Peter Schmoll zu berichten. Mit umfassenden Bildmaterial dokumentiert er auch diese schwarze Stunde.
Die Alliierten hatten mit ihrem Angriff auf einen Stopp von mehreren Monaten in der Produktion des Kampfflugzeuges gehofft. Doch die Werke wussten sich zu helfen: Notgedrungen wich man auf den Fliegerhorst Obertraubling aus. Um die Produktion des bewährten einsitzigen Jagdflugzeuges wieder hoch zu fahren, wurde die Produktion des Messerschmitt Me 323 eingestellt, jenes legendären Giganten der deutschen Luftwaffe, des größten landgestützten Transportflugzeuges des Zweiten Weltkrieges.
Während im Fliegerhorst Obertraubling das Fließband aufgebaut wurde und die Produktion der ME 109 wieder richtig ins Rollen kam, griffen die Alliierten Ende Februar 1944 erneut an, zerstörten mit schweren Luftangriffen acht von zehn Hallen. Nur noch fünf Flugzeuge pro Tag konnten jetzt produziert werden.
„Den Vertretern des RLM (Reichsluftfahrtministerium) und der Messerschmitt GmbH war klar, dass weitere Luftangriffe bevorstanden und die Produktion der – jetzt lebenswichtigen - Jagdflugzeuge oberste Priorität hatte!”, erklärt Schmoll. Der Jägerstab beschloss daher, die Produktion schnellstens zu dezentralisieren und in Tunnels, Stollen, Waldwerke und auch in KZs auszulagern.


Auf einen Flugplatz bei Cham, ins Konzentrationslager Flossenbürg und nach Mappach - ein kleines Dorf im Einsiedler Forst zwischen Bruck und Bodenwöhr - wurde die Montage verlegt. Verborgen, unter riesigen Tarnnetzen, bauten hier hunderte russische und französische Kriegsgefangene Teile der berühmt-berüchtigten Jagdflugzeuge zusammen.Akribisch suchten die amerikanischen Verbände nach diesen Produktionsstädten. Doch das Waldlager bei Bruck blieb, im Wald verborgen, unentdeckt. Über den nahen Bahnhof Bodenwöhr wurden die Flugzeugteile transportiert. Erst in Obertraubling erfolgte die Endmontage und -abnahme.

 

Der ehemalige Brunnen des Waldlagers.


Als am 8. Mai 1945 die weißen Fahnen an den Kirchtürmen den Frieden verkündeten, wurde das Lager bei Mappach zwar aufgelöst, doch bald schon kamen die Vertriebenen aus Schlesien und Böhmen. Vier- bis siebenhundert Männer, Frauen und Kinder lebten im ehemaligen Produktionslager bis in die 1950er Jahre. Ein Dorf war entstanden mit Schule, Kirche, Kiosk und einem Gasthaus. Sogar eine Fußballmannschaft, den „SV Mappach Lager”, gab es für einige Jahre. Für damalige Zeiten ein karges, aber fast normales Leben nach all dem Elend des Krieges und der Flucht im Einsiedler Forst.
Auf dem Gelände, auf welches im Winter 1944 die amerikanische Air Force die Bomben geworfen hatte, um die Rüstungsindustrie des Dritten Reiches in Regensburg zu vernichten, ist eine junge und moderne Gemeinde gewachsen, Neutraubling entstand. Nichts erinnert mehr an die Kriegsjahre. Nichts - außer den Erzählungen und Erinnerungen der Zeitzeugen und den Bildern jener Menschen in den Büchern über den Luftangriff auf Regensburg, die Messerschmitt-Werke und den Fliegerhorst Obertraubling.

Peter Schmoll im Gietl-Verlag
Die Messerschmitt-Werke im Zweiten Weltkrieg
Luftangriffe auf Regensburg
Messerschmitt-Giganten

 

Messerschmitt-Giganten

Die Messerschmitt-Giganten waren die Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg, mit denen es erstmals in der Geschichte der Luftfahrt möglich war, schwere Geschütze, Lastkraftwagen und sogar Panzer auf dem Luftweg zu transportieren. Mit seinen 55 Metern Spannweite überragte der Gigant alle anderen Flugzeuge der Deutschen Luftwaffe. Erst als Lastensegler Messerschmitt Me 321 und später als sechsmotoriges Transportflugzeug Me 323 mit 6000 PS waren die Giganten von 1941 an, bis fast zum Kriegsende, im Einsatz. Immer wenn an den Fronten Krisenlagen entstanden, ob an der Ostfront 1941–1944 oder im Mittelmeerraum 1943, waren die Me 321 und Me 323 im Brennpunkt des Geschehens. Untrennbar verbunden mit den Giganten Me 321 und Me 323 ist die Geschichte des Fliegerhorstes Regensburg-Obertraubling. Hier begannen Ende 1940, durch das Kommando „Warschau-Süd“, die Vorbereitungen zum Bau des Lastenseglers Me 321. Da der Einsatz der Me 321 nur mit großem Aufwand betrieben werden konnte, standen bereits Anfang 1942 die ersten motorisierten Versuchsmaschinen vom Typ Me 323 zur Erprobung bereit. Im Januar 1944 wurde die Produktion der Me 323 eingestellt. Kein Fliegerhorst der Luftwaffe war so in die industrielle Flugzeugproduktion eingebunden, wie der von Regensburg-Obertraubling. Im Oktober 1944 begann auf dem Fliegerhorst und im Waldwerk „Stauffen“ die strenggeheime Produktion des ersten einsatzbereiten Düsenjägers, der Me 262. Ein epochaler Schritt in der Geschichte der Luftfahrt. Bis Kriegsende wurden 330 dieser damals modernsten Jagdflugzeuge unter primitivsten Verhältnissen gebaut.

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