Pfefferspray und voreilige Kontrolle

Die Tücken der Technik am lebenden Objekt und allerlei Verwicklungen bei der Streife zu Fuß... was einem Polizisten so tagtäglich passiert, davon erzählt Ostbayern-Kurier-Mitarbeiter Franz Niebauer auch im zweiten Teil seiner Polizei-Serie aus eigener Erfahrung.

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„Mahlzeit Leute“, so hallte es durch den Gang der Polizeiinspektion Nürnberg-Ost. Der Dienstgruppen-Leiter hatte wieder etwas auf dem Herzen. „Wir haben nicht nur nachts Einbrecher, sie sind jetzt schon am Tage unterwegs“, gab er mit schmerzlicher Stimme von sich.

Die Stimmlage kannte man von ihm zu gut. Da kam bestimmt wieder dieser Druck von oben. „Nürnberg ist eine Großstadt“, wisperte Fred, vor sich hin. Ja, das war richtig, vor gut vierzig Jahren hatte sie schon fast 500.000 Einwohner. Im Jahre 1397 waren es gerade 5.000 Seelen gewesen. Gut, ein wenig Geschichte muss sein. Aber nun zurück zum Dienst.

Der zweite Mann unserer Dienstgruppen-Chefs, Johann, hatte Freudiges zu vermelden. „Wir haben jetzt einen orangen VW-Käfer für die Zivilstreifen, bekommen“. Toll, da sieht uns dann gleich jeder, der nichts Gutes im Schilde führt...

Johann hatte natürlich sofort eine passende Antwort darauf. Dies bedeutete, Fred und ich durften den Nachmittag in der nahegelegenen Gartenanlage Fußstreife gehen. Ausgerechnet ich, der ja nur das Autofahren im Kopf hatte... Gut, Befehl ist Befehl... äh, Anordnung ist halt bindend. Somit war der Dienst für Nachmittag gelaufen. Glaubte ich zumindest. Wie man sich täuschen kann.

Wir suchten unsere Einsatzmittel zusammen. Damals hatten wir Gürtel aus Leder und Lederschlaufen für den sehr „flexiblen“ Schlagstock. Halt, wir hatten noch etwas, das uns sehr gütlich an die Hand gegeben wurde: die chemische Keule! Das Spray kam aus Amerika und hatte dort gute Wirkungen in Sachen Verteidigung ohne Schusswaffe erzielt. Wir hatten dieses Spray natürlich sofort testen müssen.

Das lag zum Zeitpunkt unseres Fußstreifen-Einsatzes wohl schon drei Wochen zurück. Johann hatte uns vor das Dienstgebäude zitiert und uns die Handhabung des Sprays gezeigt. Die Uhr stand etwa auf 16 Uhr, die meisten der im Tagesdienst Beschäftigten hatten jetzt Feierabend. Johann erklärte erst einmal theoretisch wie des Spray zu handhaben sei. Fred war ungeduldig und forderte Johann auf, doch mal das „Gerät“ auszuprobieren.

Johann tat dies sehr spontan. Zu spontan. Und es kam, wie es kommen musste, dazu, dass das erste Opfer (er kam schon immer vor vier aus dem Haus) unser Dienstellenleiter war... Diesmal bescherte ihm dieser zügige Dienstschluss zwei weinende Augen! Johann hatte sich mit der „Chemical Mice“, so nannte man das damals, von uns abgewendet und in den vermeintlich „freien“ Raum gesprüht. Dachte er zumindest. Denn dann war der Chef aus dem Gebäude gekommen.... Ganz ohne Folgen blieb das natürlich nicht. Schließlich musste der „Dienststellenoberste“ sein Fahrrad nach Hause schieben, denn er sah ja fast nichts mehr.

Gut, dieses Gerät zeigte eine hervorragende Wirkung, das hatten wir am lebenden Objekt gesehen. Also wollten wir es gleich bei unserer „Kleingartenanlagenstreife“ dabeihaben. In den Gartenhäuschen war schon nachmittags - es war ja Winter - mehrfach, eingebrochen worden. Die Dämmerung war für viele Diebe die ideale Zeit, sich in den Gartenhäusern etwas zu holen oder aber viele Obdachlose schliefen dort.

Der Weg zur Anlage war auch zu Fuß nicht sonderlich weit. Wir hatten sie schnell erreicht und kontrollierten die einzelnen Gärten mit ihren zum Teil aus Stein gebauten Häusern. Manche hätten bestimmt nach der damals noch gültigen Bayerischen Bauordnung wohl nicht gebaut werden dürfen. Aber nun gut, das war ja nicht unsere Abteilung, wir fahndeten nach Dieben und Einbrechern.

Lange waren wir noch nicht in der Anlage gewesen, als wir plötzlich Geräusche wahrnahmen. Es waren knackende, zum Teil sehr heftig laute Geräusche. Fred und ich orientierten uns kurz, aus welcher Richtung sie wohl kamen und ich setzte kurz noch, bevor ich das Funkgerät leise stellte, einen Funkspruch ab.

Vor uns hatten wir ein älteres Holzhäuschen, aus dem ungewöhnliche Geräusche drangen. Waren das Einbrecher, und warum stöhnten die so? Eine Frauenstimme war auch dabei zu hören, nicht gerade leise. Wir waren verunsichert.

Für einen bayerischen Gendarmen gab es aber kein Zurück. Wir, Fred und ich, mussten den „Fall“ lösen. Langsam und bemüht, keine unnötigen Geräusche zu machen, pirschten wir uns an das „Wild“ heran. Das Fenster des Gartenhauses war nur angelehnt. Klar hier war der Einbrecher eingestiegen.

Fred war wieder einmal, wie immer, etwas voreilig. Er preschte vor, rannte an mir vorbei und stieg mit Vehemenz in das Gartenhäuschen ein. Drinnen hörte ich ein undeutliches Geräusch, Wortfetzen, die ich nicht verstand und dann von Freds Stimme ein deutliches „Scheiße“...

Im gleichen Augenblick wurde von Innen die Gartenhaustüre aufgerissen und ein völlig verstörter Fred stürmte heraus. Ihm dicht auf den Fersen stürmte ein - ich wollte es schier nicht glauben, ich hatte die Befürchtung, dass ich daraufhin in psychiatrische Behandlung geschickt würde - ein splitternackter junger Mann mit hochrotem Kopf. Fred voraus, hinterher der Nackte.

Ich sah mich im Häuschen um und entdeckte tatsächlich noch eine inzwischen angezogene junge Frau. Sie war etwas verstört und meinte dann ganz ernst: „...er braucht doch sein Gewand, warum läuft jetzt davon?“

 

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