Aus dem Nähkästchen - Erinnerungen eines Gendarmen

Foto: Ilona Laufersweiler/pixelio.de / „Puh,ist das  scheiß kalt“, jammerte Fred, als er in die Wache der Inspektion stapfend kam. Er wäre fast als Schneemann durchgegangen, wenn er sich ruhig hingestellt hätte. Fred konnte sich aber nicht stillhalten.

 

„Es ist kalt, es schneit, und das Allerschönste - wir haben wieder mal Nachtdienst.“ Das war sein „Grüß Gott“ oder „Guten Abend“. Gut, wir waren es nicht anders von ihm gewohnt. Der große „Häuptling“ rief sogleich zum Meeting. „Leute“, so meinte er eingangs, „es kann auf Grund der Wetterlage vermehrt zu Unfällen, zu Verkehrsunfällen, kommen. Seien wir bitte darauf vorbereitet und achtet immer auf eure Sicherheit und auf die des Streifenpartners“.

Das war nett von ihm, dass er da an uns dachte... An uns? Nein, er dachte an sich, da er ja dann wieder, wie so oft, Stellung zu den Vorfällen nehmen müsste. Aber, so weiß man von einem alten und weisen Schreiner, der meinte: „...wo gehobelt wird, da fallen auch Späne...“.

Ja mei, das ist halt so. Ich sah aus dem Fenster des Wachzimmers und musste feststellen: In der letzten halben Stunde mussten da mindestens 10-15 Zentimeter Neuschnee gefallen sein.

Fred und ich hörten, dass es wieder uns beide erwischt hatte. Wir mussten die erste und somit die „schreibreichste“ Streife fahren. Ich betone den Ausdruck „dürfen“ - wir taten es ja gerne, waren ja noch angesehene Freund und Helfer. Diesen Ausdruck hat die bayerische Polizei allgemein geprägt. Und dies ist auch heute noch so. Wie immer – natürlich - war ich der Fahrer.  „Das wird eine tolle Sache“, dachte ich, „bei so viel Schnee.“  Womit ich dann aber nicht gerechnet hatte, war unser Boss.

Denn nun kam der Hammer: Der Dienstgruppenleiter, kurz DGL genannt, hatte uns für eine Zivilstreife mit unseren wohlbekannten, nicht zu übersehenden, orangefarbenen VW Käfer eingeteilt. Es kam aber noch besser: Zivilstreife OK, aber auch noch im Sperrbezirk...? NEIN! Also gut, dann eben doch.... 

Im innerstädtischen Bereich durfte keine Straßenprostitution stattfinden. Die Polizei hatte darauf zu achten, dass diese Übertretung, so hieß dies damals, geahndet wurde. Die Übertretung lag zwischen Ordnungswidrigkeit und Vergehen. Das hieß damals auch, dass die „leichten Mädchen“, wenn sie mit einem Freier angetroffen wurden, von uns aus dem „Verkehr“ gezogen wurden.  „Mmh, blöder Ausdruck.“ Aber das war eben so. Die Damen wurden dann für den Rest des Abends in eine „offene“ Zelle, die Zellentüre wurde nicht verschlossen, auf der Dienststelle verbracht. 

Fred und ich hatten an diesem Tag wieder eine Menge zu tun und um Mitternacht saßen standen oder lagen rund 15 der Mädels in der Zelle. „Alles raus“, schrie da der DGL, „Näheres bekommt ihr über Funk“! Ich dachte schon, er wollte mit den leichten Mädchen alleine sein. Aber das war dann doch anders.

Ich startete los: Im Käfer mit Fred und mit Schleudern ging es die Hofeinfahrt hinauf auf die Straße. Der Schnee war inzwischen immer mehr geworden und es war nur noch ein Rutschen, kein Fahren mehr und es ging lediglich noch bedächtig voran. Über Funk meldete sich dann der DGL: „Alle verfügbaren Fahrzeuge zum Club-Gelände, ein vermutlich Betrunkener ackert mit seinen Jeep das Spielfeld um“. Wir waren, wie sich nun herausstellte, mit unseren VW Käfer da im Vorteil, denn die großen Räder mit dem groben Profil der Winterreifen waren da doch ein Pluspunkt. Nur die Farbe des Autos.... immer noch fürchterlich orangefarben.

Am Fußballfeld des Vereins angekommen, konnten wir niemanden mehr vorfinden. Am Ende Aschenbahn - das waren früher die 400-Meter-Bahnen - stellten wir einen Jeep fest, dessen Fahrer gerade dabei war, abzuhauen. Aber nicht mit uns: Es begann eine wilde Verfolgungsjagd. Der Käfer mit seinem Heckantrieb schlingerte hin und her, aber ich hatte ihn bald im Griff. Der Flüchtende fuhr über die erste Rot zeigende Ampel, wir hinterher. Es waren doch noch einige Meter, bis wir den Wagen erreichten, der jetzt bei Grünlicht stand. Fred sprang aus dem noch nicht vollends stehenden Zivilwagen heraus und riss die Fahrertüre des Jeeps auf...

Bis ich unseren Zivilstreifenwagen zum Stehen gebracht hatte und ausgestiegen war, lagen beide auf der Straße und wälzten sich im Schnee. Der Fahrer des Jeeps war natürlich sturzbetrunken und dann auch noch, was sich später herausstellte, ohne gültige Fahrerlaubnis unterwegs gewesen. Wir mussten ihn in die Klinik bringen. Hier wurden seine zum Glück nur leichten Verletzungen versorgt und es wurde natürlich eine Blutentnahme veranlasst.

Im Anschluss entließen wir den betrunkenen „Fußballfeldzerfledderer“ und wollten gerade in unser heißgeliebtes orangefarbenes Auto steigen, da fing der Mann an zu laufen... und ehe wir etwas sagen konnten, rannte er mit voller Wucht gegen einen Laternenmast, so dass das Licht daran ausging und die Verglasung klirrend zu Boden ging. Wir brachten ihn zurück in die Klinik, wo er dann versorgt wurde. Nun war er tatsächlich etwas mehr verletzt. Bei unserer Nachfrage, warum er denn nach der Blutentnahme und seiner Entlassung abhauen wollte, meinte er nur, dass er ein großes, orangefarbenes Ungetüm gesehen hätte....  Oje... unser Käfer!

Voller Stolz und mit einem gewissem Maß an Zufriedenheit ging es zurück zum Polizeirevier. Als ich den Käfer nach rechts einlenkte um in die Hofeinfahrt zu kommen, stieß Fred einen kurzen Schrei aus und fuchtelte mit beiden Händen Richtung Windschutzscheibe. Jetzt sah ich es auch: ein Marder. Er war vermutlich aus dem warmen Motorraum eines abgestellten Streifenwagens gekommen. Nachdem wir ja eh in letzter Zeit sehr viele Schäden durch Marderbisse an den Fahrzeugen gehabt hatten, war dies nun die Gelegenheit, auf „Jagd“ zu gehen. 

Betonen muss man dabei allerdings, dass Marder so schnell nichts beeindruckt, schon gar nicht ein orangefarbener Käfer mit einer kleinen blauen „Warze“ auf dem Dach. Ich hatte nichts Besseres zu tun, als Gas zu geben. Einen kurzen Augenblick später stellte ich fest, dass es Winter war, dass es geschneit hatte und dass es „sauglatt“ war...

Vor uns der laufende Marder, ich mit dem orangefarbenen Käfer mehr schlecht als recht hinterher. Kurz: Ich war zu schnell, der Marder schlau und ich überfordert. Ganz kurz sah ich im Scheinwerferlicht noch den Marder, der - so hatte ich das Empfinden - sich nochmals umschaute, um „hämisch“ zu grinsen, weil er wusste, dass es im nächsten Augenblick laut werden würde. Dann krachte es auch schon und der orangefarbene Käfer, Fred und ich fuhren gegen das Dienstgebäude. Der Käfer schwang von der Wucht des Aufpralls noch einen halben Meter zurück, dann war es ruhig. Naja, meinte Fred mehr bedächtig als überrascht: „Jetz glaube brauchma nimmer Zivilstreife fahr`n“!

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