Pilsen. An der Westböhmischen Universität Pilsen (Tschechien) kann man ab September 2019 den weltweit ersten akademischen Master-Studiengang mit Bayern-Schwerpunkt absolvieren.

Der Lehrstuhl für Germanistik und Slawistik an der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität Pilsen bietet ab dem Wintersemester 2019/20 einen innovativen Master-Studiengang an, der das Bundesland Bayern aus interdisziplinärer Perspektive in den Mittelpunkt stellt. Das Ziel der „Areal-Studien: Bayern-Studien" ist es, ihre Absolventen fachlich, sprachlich und interkulturelloptimal auf eine berufliche Tätigkeit im Bereich Wirtschaft, Tourismus und Kultur mit Partnern aus dem Freistaat Bayern vorzubereiten.

Pünktlich zum 30. Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs und nach fünf Jahren intensiver Vorbereitungen eröffnet die Westböhmische Universität Pilsen im Wintersemester 2019/20 den weltweit ersten Master-Studiengang, der sich dem Bundesland Bayern in seinen politisch-wirtschaftlichen, historisch-kulturellen und sprachlichen Bezügen widmet. Die interdisziplinären Bayern-Studien ermöglichen es Bachelor-Absolventen, innerhalb von zwei Jahren ein weiterführendes Studium mit Master-Abschluss zu durchlaufen, das Spezialisierungsmöglichkeiten in gesellschaftswissenschaftlichen Feldern, eine fach- und regionalspezifische Ausbildung in der Fremdsprache Deutsch und den Fokus auf das Bundesland Bayern miteinander verbindet. Berufspraktische Elemente und direkte Kontakte zur Nachbarregion Bayern gehören ebenfalls zumProgramm. Gemäß den Bedürfnissen des interregionalen Arbeitsmarktes wird dabei eine vertiefte Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft angestrebt.

Angesiedelt ist das Masterprogramm am Lehrstuhl für Germanistik und Slawistik der Philosophischen Fakultät der Universität Pilsen. Seine Aufbauphase verlief 2014-2018 in Kooperation mit dem von Prof. Hermann Scheuringer geleiteten Forschungszentrum Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa" (DiMOS, Universität Regensburg), dem bayerischen Partner der Pilsner Germanistik. Seit 2016 wird das bilaterale Projekt Interdisziplinäre Bayern-Studien" durch das Programm zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit Freistaat Bayern – Tschechische Republik Ziel ETZ 2014-2020" des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert. Im Januar 2019 erhielt der Studiengang die Akkreditierung des Tschechischen Schulministeriums.

„Mit Blick auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, die das Verhältnis zwischen (Sudeten-)Deutschen und Tschechen jahrzehntelang, auch über das Wendejahr 1989 hinaus, belastet haben, setzt die Einrichtung von Bayern-Studien an einer tschechischen Hochschule ein vielsagendes Zeichen – fast möchte man sagen: die Nachkriegszeit geht in Tschechien damit endgültig zu Ende", meint Dr. Boris Blahak, einer der Initiatoren des Studiengangs, der das Konzept erdacht und über viele Jahre gemeinsam mit den Pilsner und Regensburger Projektpartnern entwickelt und an die interregionalen Bedürfnisse angepasst hat.

Durch die mittelfristige Perspektive der Etablierung eines Double-Degrees (Pilsen – Regensburg) soll der Master die Harmonisierung der Bildungsangebote in der Interregion fördern. Als Areal-Studiengang trägt er der allgemeinen bildungspolitischen Entwicklung Rechnung, dass die Germanistik als klassische Philologie in Tschechien immer weniger nachgefragt wird. Zugleich wird dadurch ein Beitrag geleistet, qualifizierte Fachkräfte in der Interregion Bayern – Böhmen zu halten.

„In der ersten Immatrikulationsphase haben sich bereits knapp 30 Studierende – und nicht nur aus Westböhmen – zur Aufnahmeprüfung angemeldet", stellt Dr. Andrea Königsmarková, Leiterin des Pilsner Lehrstuhls für Germanistik und Slawistik, fest. „Angesichts der Neuartigkeit des Studiengangs und der kurzen Ausschreibefrist ist das eine im landesweiten Vergleich beachtliche Anzahl, die zeigt, dass das Konzept einer interregional, interdisziplinär und praxisorientiert ausgerichteten Germanistik einen bestehenden Bedarf trifft." Für die zweite Anmeldephase im September 2019 werden daher weitere Studienbewerber erwartet.

Zentrale Bestandteile des Studienprogramms sind zum einen gesellschaftswissenschaftliche Fachmodule zur Geschichte, Politologie, Kulturwissenschaft, Archäologie, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft mit bayerischem bzw. bayerisch-tschechisch kontrastivem Akzent; sie werdendurch die entsprechenden Lehrstühle der Westböhmischen Universität eingespeist. Ein zweiter Fokus liegt auf der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen: Neben dem Training fach- und wirtschaftssprachlicher Fertigkeiten in Deutsch und interkultureller Handlungskompetenz stellt die erstmalige Vermittlung rezeptiver Kompetenzen gegenüber den Dialekten Bayerns ein Novum dar, das zum Abbau der Sprachbarriere im interregionalen Kontext beitragen soll. „Bairisch verstehen, auf Hochdeutsch reagieren, fachsprachlich agieren", bringt Boris Blahak das Lernziel des Sprachmoduls auf eine knappe Formel.

Hinzu kommt ein Bündel vermittelter Auslands- und Praxiserfahrungen, zu dem ein Studiensemester an einer bayerischen Hochschule, Praktika in bayerischen Firmen und Institutionen, Begegnungsseminare, Symposien, Exkursionen und die Teilnahme an Sommerhochschulen zu Deutsch als Fremdsprache gehören. Eine solide Ausbildung im Projekt- und Kulturmanagement rundet das Studienprogramm ab.

Voraussetzung für die Aufnahme in die Pilsner Bayern-Studien sind ein Bachelor-Abschluss und das Bestehen einer Aufnahmeprüfung, in der u. a. Deutschkenntnisse auf Niveau C1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachgewiesen werden. Offiziell eröffnet wird der Master am 18.9.2019 durch einen Festakt im Rahmen eines zweitägigen Symposiums zum Thema „Germanistik in der Interregion Bayern – Böhmen" an der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität.