Der neunjährige Leonhard läuft den Flur entlang, ein Strahlen zieht sich über das Gesicht des lebhaften Jungen. Lächelnd verfolgt Mutter Kornelia Liebl die Bewegungen ihres Sohnes – mit seiner neuen Sportprothese.

Und mit den beiden freuen sich Orthopädiemechaniker-Meister Thomas Wellmer und seine Mitarbeiter, Friederike von Voigts-Rhetz, Referentin des Inklusions- und Breitensports des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Bayern und nicht zuletzt Denise Schindler, Schirmherrin und Radsportprofi, die das Projekt EISs (Erlebte Inklusive Sportschule) auf Rädern 2013 ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt ermöglicht Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung das, was Denise Schindler früher beim Sport vermisste: „die Gemeinschaft, das Dazugehören, der Spaß am Sport“. Dafür gibt es diese inklusiven EISs-Gruppen, die Zugänge zum Vereinsleben schaffen. Bereits in den zwei vergangenen Jahren konnten ein Sportrollstuhl und ein Handbike von den eingegangenen Spenden für EISS-Gruppen finanziert werden.

In diesem Jahr winkt drei Kindern oder Jugendlichen einer EISs-Gruppe ein Zuschuss von 3.000 Euro für eine Sportprothese. Mit der Ausschreibung zur finanziellen Unterstützung soll ihnen der Zugang zum Sport ermöglicht werden. Dies ist das zentrale Anliegen von Initiatorin und Schirmherrin Denise Schindler, die selber unterschenkelamputiert ist und aus eigener Erfahrung weiß, wie Sport das von Politikern häufig propagierte Wort Inklusion in die Realität umsetzen kann. Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Hilfsmittel, die die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens abdecken. Spezielle Prothesen, die mehr als Alltagsbewegungen zulassen, werden in der Regel von den Krankenkassen nicht bezuschusst. Der Inklusionsgedanke im Sport noch lange nicht umgesetzt ist, weiß Denise Schindler, die einige der größten Titel im Behindertenradsport errungen hat: World Cup Gesamtsiegerin, Weltmeisterin im Straßenrennen und Silbermedaillengewinnerin bei den Paralympischen Spielen in London. Neben der Freude am Sport möchte Denise Schindler die Botschaft an künftige Generationen, egal ob behindert oder nicht, vermitteln, dass man auch als behinderter Sportler Großartiges leisten kann. „Behinderung und knappe Vereinsmittel dürfen kein Ausschlusskriterium für die Teilhabe am Sport sein, erst recht nicht im Kindesalter“, bekräftigt die Schirmherrin.

Im Rücken hat sie ein außergewöhnliches Team, in dem behinderte und nichtbehinderte Radfahrer gemeinsam seit 2013 beim Endura Alpentraum an den Start gehen. Der Erlös aus diesem eintägigen Radrennens, das die Teilnehmer über 250 Kilometer und 6.000 Höhenmeter von Sonthofen im Allgäu bis nach Sulden in Tirol einmal über die Alpen führt, dem Projekt EISs zugutekommen.

Leonhard Liebl besucht die dritte Klasse, ist ein guter Schüler und setzt sich als Klassensprecher für seine Mitschüler ein. In seiner Freizeit spielt er gerne Schlagzeug, fährt für sein Leben gern Fahrrad und klettert auf Bäume. Wie fast alle seiner Altersgenossen würde er gerne einen Vereinssport ausüben, vor allem das Fußballspiel hat es ihm angetan. Seine angeborene Beinverkürzung macht eine Prothese notwendig. Diese Alltagsprothese wird aber seinem Bewegungsdrang nicht gerecht. Das Projekt EISS auf Rädern erfüllt nun den Traum von Leonhard. Er erhielt nun eine Kombination aus Orthese und Prothese, eine sogenannte Orthoprothese.

Gebaut wurde sie vom Sanitätshaus Reha-Technik Wellmer und Schmidbauer. Geschäftsführer Thomas Wellmer beschreibt die Besonderheiten dieser Orthoprothese, die er in mehreren Schritten speziell auf die Bedürfnisse von Leonhard geschaffen hatte. Interessiert hatte auch Denise Schindler die Orthoprothesen-Anpassung mitverfolgt. Mit der Finanzierung von Leonhards Sport-Orthoprothese möchte sie „Berge versetzen, Grenzen verschieben und für die Ideale der gelebten Inklusion stehen“. Gleichzeitig möchte sie auf die Problematik der Hilfsmittelunterversorgung aufmerksam machen, verbunden mit der Hoffnung, dass die Krankenkassen in Zukunft die Kosten dafür übernehmen werden. Durch die Verwendung einer speziellen Sportfeder werden die Bewegungen gedämpft, kann sich Leonhard leichter bewegen, passen sich die Schritte besser dem Gelände an, erläutert Thomas Wellmer.

Bürgermeister Karl Bley dankte Denise Schindler für ihr Engagement, das eine Perspektive für das Ausüben verschiedener Sportarten biete. Er lud die Familie von Leonhard zur 100. Geisterwanderung am 9. Juli ein, bei der Leonhard seine Prothese schon ausprobieren könne. Kornelia Liebl erläuterte auf Nachfrage, dass der SV Nittendorf inklusiven Sport anbiete, Leonhard hier evtl. trainieren könne.