Markus Söder: Bayern zuerst

 

Er will nicht, dass sich unsere gewohnte Art zu leben ändert und sagt das frei heraus. Finanz- und Heimatminister Markus Söder spricht den über 250 Gästen der CSU-Veranstaltung in der Oberpfalzhalle damit aus der Seele. Unverhohlene Begeisterung und Bewunderung schlagen dem Mann entgegen. Durch seine strahlende Souveränität und seine einfach zu verstehenden Lösungsansätze für die Probleme der Zeit zaubert er unaufdringlich und unterschwellig – bei aller Abwiegelei - den Anspruch des Thronanwärters in die dichte Atmosphäre, Bayerns nächster Ministerpräsident zu werden. Seine Botschaft: Bayern zuerst, Deutschland zuerst. Seine Waffe: Brillante und bestechende Rhetorik.

Die Gegner werden vorgeführt im beißenden Spott, wie ihn sonst etwa der Kabarettist Urban Priol zu artikulieren weiß, für den Söder selbst ja ein ausgemachter Gegner ist. Söder, der in breitem fränkisch die konservative Sehnsucht seines Auditoriums nährt, das Erreichte und Gewohnte zu beschützen und zu bewahren, ist ein Meister des verbalen Floretts. Ein wildes Draufdreschen mit dem blutigen Fleischerhammer, wie es sein Jugend-Vorbild Franz-Josef Strauß (Poster im Jugendzimmer) zur eigenen Gattung des politischen „Diskurses“ erhoben hat, das braucht Markus Söder nicht. Er hat feinere, aber gleichsam effektive Methoden, um die Andersdenkenden virtuell an die Wand des Saales zu pinnen – von Claudia Roth (Grüne) über Andrea Nahles (SPD) bis hin zur Unions-Schwester und Republik-Mutti Angela Merkel (CDU).

Es ist ein launiger, ja unterhaltsamer Abend. Trotz der Inhalte. Söders Art ist ja bekannt, und so versucht sich Hausherr OB Andreas Feller gleich zu Beginn ebenfalls mit einem humoristischen Einstieg: Er komme gerade vom arabischen Kochkurs, so Feller, dort seien sehr interessante Gewürze verwendet worden, und ferner bestelle der Strauß dem Finanzminister schöne Grüße. Söders Konter aus der ersten Reihe: „Was für Gewürze hast Du denn probiert?“ Feller ergänzt, es handle sich um einen Schwandorfer namens Strauß und betont, er wolle nicht jammern, auch wenn die Stadt natürlich immer von allem zu wenig habe. Das liege aber vornehmlich am (anwesenden) Landrat Thomas Ebeling, „der uns immer aussackelt“.

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Auszüge aus der Rede

Söder dankt fürs launige Intro und attestiert dem OB, Pluspunkte gesammelt zu haben , „weil Du den Landrat und nicht mich verarscht hast“ - die Herzen des Publikums sind spätestens jetzt gewonnen. Söder lobt den Kreisvorsitzenden und MdL Alexander Flierl, der zu Beginn die niedrige Arbeitslosenquote und den hohen Bildungsstand Bayerns betont hat. Flierl sei ein enorm engagierter Vertreter seiner Region in München.

Natürlich dürfen die inzwischen fast traditionellen Honneurs, die Söder seinen jeweiligen Gastgebern macht, nicht fehlen: Dass die Dachelhofener Blasmusik ihn mit dem bayerischen Defiliermarsch begrüßt hat, der dem (amtierenden) Ministerpräsidenten zustehe, sei ein Protokoll-Verstoß, „ich komme aber emotional damit zu Recht“. Er dankt seinen Vorrednern für „die lobenden Worte, sie waren angemessen“ - Markus Söder kokettiert gerne und man hört ihm gern dabei zu.

Der Flirt mit dem Publikum geht weiter. Nachdem er diese Woche „Geld aus Wien geholt“ habe (gut eine Milliarde aus dem Vergleich mit Österreich zur Hypo Alpe Adria) und „versucht, Vernunft nach Berlin zu bringen“, freue er sich bereits die ganze Woche drauf, „am Freitag den Abend mit vernünftigen Menschen“ zu verbringen. Und die verortet Söder, gemäß seines Handlungsprinzips als Heimatminister im ländlichen Raum.

„Unsere Möglichkeiten sind begrenzt, Europa kann nicht die ganze Welt aufnehmen.“ Mit einer simplen Wahrheit, die in Wahrheit aber auch niemand ernsthaft anzweifelt, leitet der Meister der Menge zum Hauptteil seines Abend-Programms über. Er spricht davon, dass Bayern heuer und 2016 insgesamt 4,5 Milliarden Euro für die Bewältigung der Flüchtlingskrise aufbringt: „Überlegen Sie mal, was für diese Summe an Infrastrukturmaßnahmen möglich wäre“ - es folgt ein kollektives Aufschnaufen der 250. Bayern schaffe das ohne neue Schulden. Noch, nur noch in 2016. Und: „Wenn wir wegen schlechter Flüchtlingspolitik Steuern erhöhen oder Schulden machen müssten, das geht gar nicht“, nutzt Söder eine Merkel´sche Standardformulierung, um der Kanzlerin nebenbei eine Watschn nach Berlin zu senden.

Neben dem Geld geht es bei den Flüchtlingen ums Soziale: „Wie wirkt sich das auf unsere Bevölkerung aus?“ Söder antwortet sich selbst: „Konkurrenz bei Jobs, Wohnungen und Gesundheitsleistungen. Manche in Berlin sagen da: da müsse man eben ein bisschen verteilen. Ich sage: die deutsche Regierung muss zunächst einmal an die einheimische Bevölkerung denken“, so Söder.

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Interview mit dem Ostbayern-Kurier

Er lobt – wenn auch mit beißendem Spott – Arbeitsministerin Andrea Nahles („Ich gehöre nicht zu ihrem Fanclub. Ich bezweifle, dass Frau Nahles einen Fanclub hat. Und wenn doch, dann gehöre ich dem nicht an“). Sie habe im Bundestag eingeräumt, dass nur rund zehn Prozent der Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt einigermaßen zu integrieren seien. Der Rest werde die Arbeitslosenquote in die Höhe treiben und die Sozialkassen belasten. „Da kann man nicht einfach sagen: Wir schaffen das“ - nächster Schlag gegen Mutti, gefolgt von der CSU-Kernforderung: „Alles muss seine Grenze haben“.

Eine numerische Obergrenze verweigere Berlin schon aus dem Grund, weil niemand genau weiß, wie viele Flüchtlinge im Land sind – Folge der einseitigen zeitweisen Dublin-Aufhebung durch die Kanzlerin. „Wenn Sie, meine Damen und Herren, eine Flugreise machen wollen, wird im Flughafen Ihr Pass kontrolliert und Ihr Ticket“ - was für Inländer gelte, müsse doch erst Recht bei der Einreise der Migranten gelten. Söders Resümmee: Dauerhafte Grenzkontrollen. Als die während des G 7 Gipfels „10.000 Straftaten aufdeckten“, sei das so gewesen, als hätten die Ermittler einen dunklen Raum betreten, das Licht angemacht, gesehen, was da so herum kreuche und fleuche und dann: „Dann haben wir das Licht wieder ausgemacht“, sprich die Kontrollen wieder eingestellt.

In dieser „eh schon veränderten Sicherheitslage“ nehme Deutschland jetzt mehr Flüchtlinge auf, als Kinder im Inland geboren würden, meist junge Männer, bei denen Söder soziokulturelle und ideologische Probleme ausmacht: Er erwähnte die Ansicht zum Existensrecht Israels, die Einstellung zum Verhältnis von Mann und Frau, zu Demokratie und Pluralismus.

Wer glaube, dass unter den hunderttausenden von Neuankömmlingen kein Futter für die Rekruter islamistischen Terrors sei, den halte er für naiv. „Wer vor Gewalt flieht, um hier Frieden zu finden, und hier Gewalttaten begeht, der hat hier keine Zukunft“, so Söder. Und: Die Flüchtlinge kommen hierher, weil es hier so schön ist. „Ich möchte nicht, dass sich unser Land ändert. Wer hierher kommen will, hat sich unseren Sitten und Gebräuchen anzupassen.“ - donnernder Applaus.

Die Regierung in Berlin sei nicht in allen Teilen souverän. Sie müsse jetzt sagen, was sie will und das dann auch tun, forderte der Heimatminister. „Die Wahrheit liegt an der Grenze“, dort gelte es im Sinne der „deutschen Interessen“ zu handeln. Söder beschrieb kurz die Weltlage aus seiner Sicht: Assad bombardiert in Syrien das eigene Volk, der Russe bombardiere die Assad-Gegner, der Türke die Kurden und die Amis bombardieren „wie immer alle“.

In Brüssel habe man nicht verstanden – auch EVP-Parteifreund und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht – wie ernst die Lage sei. „Die EU versagt beim Schutz des Kontinents“, wettert Söder. Statt 86 Milliarden Euro an die „sozialistische Regierung in Griechenland“ zu geben, ohne dass diese im Gegenzug die europäische Grenze sichern würde, hätte man das Geld besser in den Ausbau des Grenzschutzes gesteckt, so Söder.

Die Türkei habe in den letzten Jahren nicht viel dafür getan, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, werde jetzt aber von der EU hofiert, in der Hoffnung, dass Ankara den Flüchtlingsstrom drossele. Söder warnte vor einem Kuhhandel Grenzsicherung gegen EU-Beitritt. Auch angesichts des Einreisestopps, den Schweden verhängt hat, forderte Söder, ebenfalls „die Grenzen zu sichern“. Schutz und Sicherheit finde der Flüchtling schließlich auch schon in Griechenland, auf dem Balkan oder „sogar in Österreich“.

„Falls die Regierung das nicht schafft, hat sie ihre Legitimation für die Zukunft verloren“ - Söder verknüpft so ganz offen, noch deutlicher als Ministerpräsident Horst Seehofer, das künftige Schicksal der CSU damit, ob sie es als Regierungspartei in Berlin schafft, die CDU und auch die SPD auf ihren Kurs zu bringen. „Unser Auftrag ist es laut Verfassung, den Nutzen des bayerischen Volkes zu mehren – das heißt, seine Interessen zu schützen“, so Söder.

„Wir sind gerade dabei, den europäischen Kontinent zu spalten“, leitet er auf das Thema „umstrittener Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in Bayern“ über. Orban habe den Deutschen inhaltlich völlig korrekt vorgeworfen: „Ihr habt das Recht außer Kraft gesetzt“. Söder zitiert Orban weiter: der habe gesagt, Deutschland habe sich entschieden, muslimisch zu werden, aber darauf beharrt, das Ungarn das Recht habe, ungarisch zu bleiben.

Söder warnt vor einer Arroganz gegenüber den Überfremdungsängsten der östlichen EU-Nachbarn. Die Polen hätten hart um ihre Freiheit gekämpft. Rhetorische Frage: „Ist denn die Integration hierzulande so ein großer Erfolg?“ Er verweist auf „monoethnische Strukturen“ in Vorstädten wie in Dortmund abseits des Borsigplatzes oder in Frankreich. „Das ist woanders schief gegangen“, sagt er. Ironie der Zeitgeschichte: Nur 90 Minuten später erschüttern die ersten Detonationen des Black Friday Paris. Eine Million Zuwanderer seien zu viel – hundert- bis 300.000 halte er für „irgendwie machbar“. „Probleme (bei der Integration, die Red.) verschweigen, macht die Rechten stark. Ich will aber eine demokratische Regierung haben“, schließt Söder das Flüchtlings-Thema an diesem Abend.

Irgendwie elegant gelingt ihm die Rückkehr zum „ländlichen Raum“. Seinen Staatssekretär, den Oberpfälzer CSU-Vorsitzenden Albert Füracker, lobt er über den Schelln-König. Ein Partner auf Augenhöhe sei das für ihn, der für die Oberpfalz immer und überall etwas heraushole in München. Im Sommer-Interview mit dem Ostbayern-Kurier hatte Söder den Neumarkter Füracker für das nächste Kabinett mit einem Ministerposten in Verbindung gebracht.

Die Entwicklungsgeschwindigkeit sei nicht überall gleich in Bayern, sei das Fazit bei seinem Amtsantritt 2013 gewesen, so Söder. Die Ballungszentren riefen nach Ent-, der ländliche Raum nach Beschleunigung. „Ich bin der Finanzminister, der mehr Geld als jeder zuvor in den ländlichen Raum gepumpt hat“, so Söder selbstbewusst. Der kommunale Finanzausgleich funktioniere, die Schlüsselzuweisungen steigen laut Söder noch einmal um 110 Millionen auf dann 8,5 Milliarden Euro. Er hatte deshalb vor zwei Jahren Riesenärger mit dem damaligen Münchener OB Christian Ude. „Drum bin ich nach Franken geflohen, da konnte er mich nicht finden“, so Söder launig.

„Bei der Digitalisierung ist es so: Wer nicht dabei ist, ist halt nicht dabei“, schneidet der Heimatminister sein Lieblings-Thema schnelles Internet an. Ein Dorf an einer Schotterstraße locke keine Betriebe und keine Neubürger an. Ähnlich sei es mit Schotterpisten im Internet. 2013 hatte die freie Wirtschaft in den Großstädten für 80-prozentige Abdeckung gesorgt, auf dem Land waren es gerade einmal zehn Prozent. Das freistaatliche Förderprogramm aus seinem Ministerium habe mit seinen hohen Förderquoten inzwischen fast 93 Prozent der bayerischen Gemeinden bewogen, selbst in den DSL-Ausbau einzusteigen. Söder kündigte ein weiteres Programm für 10.000 Hotspots in Bayern für flächendeckendes freies WLan an.

Was hindert den Freistaat daran, noch schneller noch schöner zu werden? Natürlich der Länderfinanzausgleich. Mit Umsatzsteuer-Ausgleich seien es heuer 7,5 Milliarden, bis 2019 neun Milliarden jährlich, die der Freistaat an die anderen Bundesländer abführen müsse - nach heutigem Recht. „In den 40 Jahren, in denen wir Nehmerland waren, haben wir insgesamt nur 3,5 Milliarden bekommen“, so Söder. „Bei den Griechen verlangen wir für unser Geld Reformen, bei Bremen und Berlin aber nicht“, appelliert der Clubberer ans „Mia-san-mia“-Gefühl.

„Bayerisches Geld ist in Bayern am besten aufgehoben.“ Das Publikum erhebt sich und feiert den Volkstribun. Nach den Präsenten von Kreisverband und OB taucht er ein in die Masse, lässt sich berühren, hört jedermann gedulgig zu – ist der Petent auch noch so penetrant – und hält quasi ganz locker Hof. Bei den Konservativen im Lande dürfte fest stehen, wer die nächste Nummer Eins sein muss. An einen geschleckten Grafen denkt an diesem Abend jedenfalls keiner.

 

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