Was ist unwahrscheinlicher, als dass der Club deutscher Meister wird? Dass in Bayern ein Sozi regiert. So jedenfalls die Meinung von Finanzminister Markus Söder (CSU). Nun wird er wohl endgültig selbst bayerischer Regierungschef. Aus diesem Anlass haben wir das Interview mit Ostbayern-Kurier Herausgeber Hubert Süß von 2015, kurz vor dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, hier noch einmal veröffentlicht. Söder kündigte dabei eine Liste mit Projekten zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Tschechien an. Dem neuen Oberpfälzer CSU-Bezirkschef Albert Füracker attestierte er „Potential für mehr“, was auf einen Ministerposten hindeuten dürfte. Beim Thema Asyl zeigte Söder eine sehr harte und kantige Haltung: Er sprach sich dafür aus, gegen Schlepper auch militärisch vorzugehen.

Viele Beobachter sahen damals schon in Markus Söder den nächsten bayerischen Ministerpräsidenten. Derzeit leitet er das Ressort für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat mit einer Außenstelle in Nürnberg. Dort findet auch das Gespräch mit dem Kurier statt. Nicht zuletzt durch seinen Staatssekretär Albert Füracker aus Neumarkt hat Markus Söder den ostbayerischen Raum in Blick – nicht nur, was das Anzapfen auf dem Chamer Volksfest oder dem Gäubodenfest angeht.

Ostbayern-Kurier: Herr Finanzminister, vor und direkt nach den letzten Wahlen war die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs Ihr großes Thema – Bayern sollte nicht mehr so viel einzahlen müssen. Läuft da noch was?

Markus Söder: Es gibt dazu bereits am 8./9. September ein Treffen der Unions-Ministerpräsidenten und der Finanzminister. Der Bund stellt 8,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Eine Einigung scheint mir möglich. Bayern will mindestens eine Milliarde weniger einzahlen müssen. Leistung soll sich schließlich auch lohnen.

Ostbayern-Kurier: Die Unions-regierten Länder sind ja ein überschaubarer Kreis. Sie richten sich den Grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gerade als Bündnispartner her, haben wir den Eindruck.

Markus Söder: Baden-Württemberg hat ähnliche Strukturen wie Bayern. Unsere Nachbarn sind leistungsstark und mittelstandsorientiert, aber wegen der grün-roten Haushaltspolitik ständig in Finanznöten. Sie müssen Schulden aufnehmen, um andere zu finanzieren. Auch Nordrhein-Westfalen (SPD-regiert; die Redaktion) ist ein Problem: Sie haben zwar Rekord-Einnahmen, aber auch vor allem Super-Rekord-Ausgaben.

Ostbayern-Kurier: Mal ehrlich: Wenn Sie anprangern, dass andere Länder Wohltaten leisten und Bayern sie bezahlen muss – warum gönnen Sie stattdessen nicht den bayerischen Bürgern selbst ein paar Wohltaten, statt in den Finanzausgleich einzuzahlen?

Markus Söder: Das ist ein verbreiteter Irrtum: Der Länderfinanzausgleich richtet sich nur nach den Einnahmen, nicht nach den Ausgaben. Wir haben in Bayern bereits die höchste Investitionsquote. Mehr hieße Schulden machen, und das führt in Abhängigkeit und Schwäche.

Ostbayern-Kurier: Dafür gibt es, etwa im Bildungsbereich, doch auch in Bayern einen großen Investitionsstau, z.B. am baulichen Zustand der Regensburger Uni.

Markus Söder: Die Uni Regensburg boomt, dort gibt es neue Fachbereiche – ganz Regensburg boomt. Wir haben auch den Etat des Bauministers gesteigert.

Ostbayern-Kurier: Nun ist Ostbayern stark zweigeteilt: Regensburg als Boom-Town einerseits, der Rest andererseits... Wie wollen Sie hier für Impulse sorgen?

Markus Söder: Drei Punkte: Erstens müssen wir die strukturschwachen Gegenden stärken, um die jungen Leute hier zu halten. Wir haben den kommunalen Finanzausgleich massiv erhöht. Das gibt ein klares Plus für die nördliche Oberpfalz, um den Kommunen in den Kreisen Tirschenreuth, Neustadt an der Waldnaab und Schwandorf mehr Luft zum Atmen zu geben. Zweitens befinden sich 90 Prozent der Kommunen in der Oberpfalz bereits im Förderverfahren für den flächendeckenden DSL-Ausbau. Der dritte Schwerpunkt sind die Hochschul-Institute in Amberg, Weiden, Cham und Regensburg. Die geben jungen Menschen eine Zukunft. Dort, wo wir keine Hochschulen haben, kommen Behörden hin.
Für Ostbayern gibt es einen weiteren wichtigen Entwicklungspunkt: der Grenzraum zu Tschechien. Wir müssen aus dem Eisernen Vorhang eine Goldene Kette schmieden. Wir erarbeiten eine Liste mit Projekten, die die Grenzräume beleben sollen.

Ostbayern-Kurier: Aber die nachhaltige Entwicklung grenzüberschreitender Projekte scheiterte in den letzten 25 Jahren größtenteils an der Sprach-Barriere – da hat sich nicht viel getan...

Markus Söder: Es stimmt, der Nürnberger hat noch nicht im Gefühl, dass er in drei Stunden schon nach Prag fahren kann. Aber mit unseren Aktionen hoffe ich, dass wir dazu beitragen können, diese Barriere stückweise abzubauen.

Ostbayern-Kurier: Kommen wir zum alles beherrschenden Thema Asyl: Wegen des Ernstes der Lage haben Sie vor wenigen Wochen einen Ihrer beiden Staatssekretäre an das Sozialministerium von Emilia Müller abgeben müssen. Wie kommt der Super-Minister (Finanzen, Landesentwicklung und Heimat) denn mit nur einem Staatssekretär (dem Neumarkter Albert Füracker) zurecht?

Markus Söder: Bei uns in Bayern sind alle Minister super. Der Johannes (Hintersberger; bisher Staatssekretär im Finanz-, jetzt im Sozialministerium; die Redaktion) hat sehr gute Arbeit geleistet. Asyl ist aber ein überragendes Thema für ganz Bayern, da müssen wir zusammenhalten. Ich finde den Wechsel daher völlig ok. Der Albert und ich sind ein eingespieltes Team, schon aus der JU-Zeit. Er ist ein Starker und ein Guter.

Staatssekretär Albert Füracker.

Ostbayern-Kurier: Wie viele Oberpfälzer gehören denn dem nächsten Kabinett an? Und sagen Sie jetzt bitte nicht, das muss der nächste Ministerpräsident entscheiden.

Markus Söder (lacht): Sie geben ja die Antwort schon selber! Nein, im Ernst: Ich sag dazu nur: Albert hat Potential für mehr.

Ostbayern-Kurier: Was tut der Freistaat, um das Asyl-Thema in den Griff zu bekommen? Ist ausreichend Geld für die medizinischen Untersuchungen der Flüchtlinge bei der Ankunft vorhanden? In der Bayern-Kaserne in München schieben ehrenamtliche Ärzte Dienst dafür...

Markus Söder: Unsere Behörden haben ihre Leistungsgrenze erreicht. Wir geben im Haushalt 2015/2016 zwei Milliarden Euro für das Thema aus und das reicht nur, wenn die Zahlen so „niedrig“ bleiben, wie bisher vorausgesagt. Der Bund hat 150 Millionen Euro zugesagt – das reicht natürlich nicht.

Ostbayern-Kurier: Wäre es nicht billiger, mehr Beamte und Richter einzustellen, als die Verfahren unerträglich lange laufen zu lassen?

Markus Söder: Wir wollen die Verfahren beschleunigen und brauchen mehr Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration. Gleichzeitig müssen wir die rechtlichen Voraussetzungen für Asyl verbessern.

Ostbayern-Kurier: Was meinen Sie damit?

Markus Söder: Die Anreize reduzieren: Sachleistungen statt Taschengeld und Abschiebe-Möglichkeiten erleichtern: z.B. Ein Albanischer Bürger reist als Tourist ein und beantragt dann als Flüchtling anschließend Asyl. Kurz vor der Abschiebung geht er dann freiwillig zurück. Im nächsten Jahr kommt er wieder. Das geht so nicht weiter. Europa muss wissen, wohin es will. Wir müssen auch den Schleppern das Handwerk legen. Dazu braucht es eine härtere Haltung im Mittelmeer. Wir müssen Menschen in Not helfen, gleichzeitig aber auch militärisch gegen die Schlepper vorgehen, ähnlich wie beim Einsatz gegen die Piraten am Horn von Afrika.

Ostbayern-Kurier: Wäre es nicht humaner und zweckdienlicher, vor Ort die Ursachen für Flucht zu bekämpfen?

Markus Söder: Das hieße: alle Probleme der Welt zu lösen. Das werden wir allein nicht schaffen. Wir brauchen natürlich Entwicklungshilfe, müssen beim Thema Asyl aber wesentlich restriktiver als bisher vorgehen.

Ostbayern-Kurier: Wir sind ein reiches Land, ein reicher Kontinent – wieso können wir nicht unsere Anstrengungen erhöhen und auch den Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben und nicht aus politischer Verfolgung heraus zu uns kommen, helfen?

Markus Söder: Zu Ende gedacht hieße das: Wir öffnen alle Grenzen. Das gefährdet dann ganz klar auch den inneren Frieden in Deutschland. Unsere Bevölkerung ist NOCH ruhig – das muss auch so bleiben.

Ostbayern-Kurier: Sie stehen also auch hinter Innenminister Herrmanns Kurs, an den Grenzen per Schleierfahndung wieder zu kontrollieren?

Markus Söder: Natürlich. Optimal sind die Schengen-Grenzen nicht. Mehr Grenzkontrollen sind natürlich effektiver.

Ostbayern-Kurier: Zurück ins Inland: Es gab im Frühjahr einen BR-Beitrag, der die These transportierte, dass die Kommunen finanziell mehr Raum zum Atmen hätten, wenn die Sparkassen ihre Gewinne an sie ausschütten würden – Ihre Meinung?

Markus Söder: Über die Ausschüttungspolitik entscheiden die Eigentümer. Also die Kommunen selbst. Generell müssen die Sparkassen Rücklagen entwickeln in einer Phase der niedrigen Zinsen.

Ostbayern-Kurier: Von den Freien Wählern kam der Vorstoß, die umstrittene Straßenausbaubeitragssatzung im Kommunalen Abgabegesetz – wonach eine Kommune einen Teil der Baukosten auf die Anlieger umlegen „soll“ – in eine „kann“-Bestimmung umzuwandeln. Wie sehen Sie das?

Markus Söder: Das würde klar die reichen Kommunen bevorzugen. Die finanzschwachen im ländlichen Raum dagegen werden an den Pranger gestellt. Das finde ich unfair. Es wird im Herbst eine Reform der Straßenausbaubeitragssatzung geben. Hin zu mehr Transparenz. Wir wollen Ratenzahlung ermöglichen und es auf das Notwendige begrenzen. Auch zeitlich. Nicht, dass Forderungen zum Teil über Jahrzehnte rückwirkend erhoben werden können.

Ostbayern-Kurier: Ihr DSL-Förderprogramm läuft gut, beim öffentlichen WLAN gibt es wegen der Störerhaftung – wer ist verantwortlich für schädliche Downloads – aber große Rechtsunsicherheit. Verschiedene Kommunen in der Oberpfalz haben individuelle Lösungen gefunden oder gebastelt – kommt da etwas Einheitliches und Rechtssicheres vom Staat?

Markus Söder: Der Bund soll die Störerhaftung beseitigen, damit zum Beispiel auch Gastronomen gefahrlos freies WLAN anbieten können. Die Störerhaftung ist ja absurd. Das ist, als ob der Erbauer der Straße Schuld daran wäre, wenn jemand zu schnell fährt. Wir brauchen öffentliches WLAN zur Stärkung der Kommunen.

Ostbayern-Kurier: Immer mehr Schüler wollen zurück ins freiwillige G 9 – hat Ihr ausgeglichener Haushalt dafür ausreichend Lehrerstellen berücksichtigt?

Markus Söder: Der Modellversuch ist im Haushalt komplett abgebildet.

Ostbayern-Kurier: Ein Schwerpunkt Ihres Heimatministeriums sind die „Underdogs“, wie der ostbayerische Raum. Haben Sie keine Angst, dass Sie das Sympathien in Oberbayern kostet?

Markus Söder: Wir kümmern uns um den ganzen ländlichen Raum. Täuschen Sie sich nicht in Oberbayern. Auch dort gibt es stärkere und schwächere Bereiche. Wir haben zum Beispiel in Mühldorf, Berchtesgaden oder Garmisch große Herausforderung.

 

Gitarre an der Wand, Söder-Tasse auf dem Tisch: Das Ministerbüro in Nürnberg.

Ostbayern-Kurier: Thema Europa: Was sagen Sie zu EZB-Chef Draghis umstrittener Politik, in unbegrenztem Maße Staatsanleihen aufzukaufen, mit einem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der sich mangels Kenntnissen für nicht zuständig erklärt?

Markus Söder: Ich bekenne mich zu einer stabilen Währung. In Deutschland sind die Sparer wichtiger als die Aktionäre und werden vom System der EZB klar benachteiligt.
Wir müssen den deutschen Einfluss in der EZB wieder stärken, damit aus ihr eine Art europäischer Bundesbank wird, anstatt eine Variante der Federal Reserve.

Ostbayern-Kurier: Sie sind für Ihre Lösung mit der Hypo Alpe Adria – jüngst z.B. den Vergleich mit Österreich – sehr gelobt worden, sozusagen als „Fachfremder“ in dieser komplizierten Thematik.

Markus Söder: Wenn man die Verantwortung für eine 300-Milliarden-Euro-Bank hat (die Bayern-LB; die Redaktion), dann sind die anderen Probleme einfach in einer anderen Gewichtsklasse. Wenn alles so abgearbeitet ist, wie wir es jetzt angestoßen haben, können wir das Beihilfeverfahren 2017/2018 beenden und wir haben dann wieder eine normale Bank.

Ostbayern-Kurier: Die Griechenland-Krise wurde auch dadurch möglich, dass Banken einem Land Kredite gewährt haben, ohne die realisitische Aussicht, dass sie das Geld von dem einzelnen Staat jemals wieder zurück bekommen. Stattdessen haben die Großbanken ganz offensichtlich auf die EU als Nothelfer gesetzt. Hat sich seitdem etwas geändert, dass die Banken keine solchen Manöver mehr durchziehen können?

Markus Söder: Der Finanzkreislauf funktioniert weltweit wie ein Blutkreislauf. Sie können sich vor Infektionen schützen, gänzlich ausschließen können Sie sie aber nicht.

Ostbayern-Kurier: Ihr Foto von Franz-Josef Strauß als Poster im Kinderzimmer hat auf Facebook hohe Wellen geschlagen. Gab es an der anderen Wand keine anderen Bilder, leicht bekleidete Damen zum Beispiel?

Markus Söder: Ich hatte neben dem Strauß-Bild noch einen Bundesliga-Planer im Zimmer hängen.

Ostbayern-Kurier: Heute müsste es ja einer von der 2. Liga sein... Was passiert eher: Der Club wird Deutscher Meister oder ein Sozi wieder bayerischer Ministerpräsident?

Markus Söder (seufzt): Wenn Sie so fragen – der Club wird eher deutscher Meister.

Ostbayern-Kurier: Stichwort Facebook: Sie agieren dort oft mit provokativ reduzierten Thesen, manchmal auch mit so privaten Einblicken wie den ins Kinderzimmer. Ist das alles Söder, oder steckt da ein Stab von Ghostwritern dahinter?

Markus Söder: Das mach ich wirklich alles selbst. Und als gelernter Journalist bin ich durchaus in der Lage, halbwegs vernünftige Sätze in den sozialen Netzwerken von mir zu geben.