Ein „Grünes Band“ soll die Oberpfalz und Tschechien verbinden

Noch bis vor 30 Jahren trennte der „Eiserne Vorhang" die Oberpfalz und Tschechien. An dieser Sperrzone entstand eine artenreiche Flora und Fauna mit einem hohen Naturwert. 

„Wir wollen diesen Biotopverbund grenzüberschreitend stärken, den kulturhistorischen Wert der Region sichtbar machen und einen naturverträglichen Tourismus fördern", betonte Regierungspräsident Axel Bartelt beim Partnerforum der Regionen Oberpfalz und Pilsen in Schönsee, zu dem rund 140 Teilnehmer aus Tschechien und aus der Oberpfalz gekommen waren. Darunter waren auch Josef Bernard, Präsident der Region Pilsen, Kristina Larischová, Generalkonsulin der Tschechischen Republik, Bezirkstagspräsident Franz Löffler, Dr. Christian Barth, Amtschef des Bayerische Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, und Joachim Menze, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in München, Schönsees Bürgermeisterin Birgit Höcherl, Vertreter der Landkreise, Kommunen, Naturparkvereine, Landschaftspflegeverbände, des Bayerischen Bauernverbandes, des Bund Naturschutz, Vertreter der Wasser-, Land- und Forstwirtschaft, des Denkmalschutzes und Tourismusvertreter sowie örtliche Initiativen.

Schwerpunkt des Partnerforums war die Präsentation der Machbarkeitsstudie „Grünes Band Oberpfalz – Tschechische Republik", zu der die Regierung der Oberpfalz den Auftrag erteilt hatte. Zusammen mit vielen Behörden und Verbänden wurden im letzten und diesem Jahr auf beiden Seiten viele Gespräche über die einzelnen Projektideen und deren Machbarkeit geführt. Das Projektgebiet umfasst im Regierungsbezirk Oberpfalz einen bis zu rund fünf Kilometer breiten Biotopverbundkorridor mit einer Fläche von etwa 28.500 Hektar entlang der ca. 200 Kilometer langen Staatsgrenze Oberpfalz - Tschechische Republik. Es umfasst 19 Gemeinden in den vier Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt a.d. Waldnaab, Schwandorf und Cham. Auf tschechischer Seite liegt das Projektgebiet in den Regionen Pilsen und Karlsbad.

Das Planungsbüro Blum präsentierte die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie mit vielen konkreten Vorschlägen zu Umsetzung. Eine Projektidee ist das Niedermoor Georgenberg im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab. Die Lebensräume für seltene Tiere, wie beispielsweise für Schwarzstörche, Wachteln und Wiesenpieper, sollen an diesem Feuchtstandort optimiert werden. Ein weiterer Projektvorschlag beschäftigt sich mit der Verbesserung der Lebensräume des Auerhuhns im Künischen Gebirge. Blühstreifen zur Förderung der Biodiversität sind ein weiteres, im Landkreis Tirschenreuth, vorgeschlagenes Projekt aus der Machbarkeitsstudie. Hier gibt es bereits eine intensive Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bauernverband zur Vorbereitung dieses Projekts. In Schönsee und in der Silberhütte werden Informationszentren zur Umweltbildung, begleitend zum Grünen Band, vorgeschlagen.

Auch eine Reihe von Gewässerprojekten werden in der Machbarkeitsstudie beiderseits der Grenze genannt, beispielsweise im Pfreimdtal und im Chambtal. Ziel ist es hier, durch Gewässerrandstreifen und extensivere Bewirtschaftung geringere Stoffeinträge in die Gewässer zu erreichen. Dies wirke sich wiederum positiv auf die Wasserqualität und damit auf seltene Arten, wie zum Beispiel die Flussperlmuschel, und die Auenvegetation aus, so die Studie. Auf das gesamte Gebiet des Oberpfälzer Waldes bezieht sich der Vorschlag, sogenannte „Naturwaldzellen" entstehen zu lassen. Dort soll eine natürliche Waldentwicklung stattfinden und monostrukturierte Fichten- und Kiefernwälder in standortgemäße buchenreiche Bergmischwälder „umgebaut" werden.

Die Machbarkeitsstudie beschäftigte sich aber auch damit, Geschichte erlebbar zu machen. So soll der Gipfel des Tillenberg erschlossen und alte Wallfahrtswege und ehemalige Grenzübergänge wieder sichtbar gemacht werden. Als nächster Schritt nach der Machbarkeitsstudie steht jetzt die Konkretisierung und Weiterentwicklung der einzelnen Projekte vor Ort an. Regierungspräsident Bartelt bedankte sich ausdrücklich beim den tschechischen Kollegen in Pilsen und in Prag, beim Bayerischen Umweltministerium, den Bayerischen Staatsforsten, den Landschaftspflegeverbänden und beim Bayerischen Bauernverband für die Unterstützung der Machbarkeitsstudie. „Ich wünsche mir, dass eine Vielzahl der vorgeschlagenen Projekte realisiert werden kann. Helfen Sie mit, dass unser ´Grünes Band in der Oberpfalz und in Tschechien´ im insgesamt 12.500 Kilometer langen paneuropäischen Biotopverbund etwas ganz Besonderes wird", appellierte der Regierungspräsident an die Teilnehmer des Partnerforums.

Das Partnerforum war auch gleichzeitig Abschlussveranstaltung des Projekts „Oberpfalz und Region Pilsen - Gemeinsam in der Mitte Europas" der Regionalkooperation Oberpfalz - Pilsen in der Kooperationsperiode 2016 – 2019. Im Rahmen des Projekts gab es beispielsweise einen Austausch zwischen den Mitarbeitern der Regierung der Oberpfalz und des Bezirksamts Pilsen. Bei den mehrtägigen Hospitationen lernten über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Behörden die Arbeit der jeweiligen Nachbarbehörde in Pilsen und Regensburg kennen. „Da wurde Partnerschaft intensiv gelebt und fortentwickelt", betonte Regierungspräsident Axel Bartelt.

Des Weiteren wurden im Rahmen des Partnerforums Beispiele für gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit vorgestellt, darunter das grenzüberschreitende F&I Netzwerk für Energieeffizienz und Kraft-Wärme-(Kälte-)Kopplung aus dem Bereich der Anwendungsforschung, für die Zusammenarbeit von Hochschulen und Betrieben. Auch die „Barockregion Bayern – Böhmen", als Beispiel für das Herausarbeiten der Bedeutung des Barock für die Oberpfalz und Pilsen als prägende Kultur- und Schaffenszeit, die keine Grenze kannte, und der Lehrpfad Grafenried, als Musterbeispiel der sensiblen Erforschung und Darstellung der gemeinsamen Geschichte der Sudetendeutschen in Böhmen, wurden präsentiert.

Im Rahmen einer Exkursion besuchten die Tagungsteilnehmer auch die Siedlung Bügellohe bei Schönsee, wenige Meter von der Grenze entfernt. Die heutigen Ruinen erinnern an die Geschichte nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Sudetendeutsche ließen sich dort, nur wenige hundert Meter von ihren früheren Häusern entfernt, nieder und bauten sich unter widrigsten Umständen eine neue Existenz auf.

Heute, 30 Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs", haben sich viele freundschaftliche Beziehungen über diese ehemals unüberwindbare Grenze entwickelt. Die vor 17 Jahren gegründete Regionalkooperation zwischen der Regierung der Oberpfalz und der Region Pilsen ist ein Katalysator dieser jüngeren Geschichte zwischen Bayern und Tschechien. Viele Netzwerke und Kooperationen auf politischer, wirtschaftlicher, kultureller und vor allem auch auf menschlicher Ebene sind entstanden. „Unsere beiden Regionen haben sich in den letzten Jahren insbesondere auch deshalb so gut entwickelt, weil wir uns als gleichberechtigte Partner verstehen und optimal zusammenarbeiten, wo dies möglich ist. Deshalb werden wir auch weiterhin Alles daransetzen, diese gute Zusammenarbeit fortzusetzen und zu intensivieren", so Regierungspräsident Bartelt.

Bildunterschrift:Gemeinsamer Besuch des verlassenen Orts Bügellohe, direkt an der Grenze. (Foto: Regierung der Oberpfalz / Roth)

Hintergrund „Grünes Band"

Das „Grüne Band" verbindet auf einer Strecke von über 12.500 Kilometern entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs den nördlichsten Teil Europas mit dem Adriatischen, Schwarzen und Ionischen Meer. Es verknüpft somit 24 Länder (EUROPEAN GREEN BELT) und bildet, wegen der über Jahrzehnte eingeschränkten Nutzung im Grenzgebiet, eine der wichtigsten paneuropäischen Biotopverbundachsen. Die Sicherung und die Wiederherstellung eines durchgehenden länderübergreifenden Biotopverbundes am Grünen Band leisten daher einen wichtigen und notwendigen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Europa.

2016 hat die Regierung der Oberpfalz die Idee entwickelt, den Biotopverbund, die kulturhistorische Bedeutung und den Bereich Naturerholung am Grünen Band zu Tschechien zu stärken. Mit dem Kabinettsbeschluss vom 4. April 2017 in Amberg wurde der Grundstein für die Idee eines grenzübergreifenden Lückenschlusses im oberpfälzischen Abschnitt des Grünen Bandes und die Vergabe einer Machbarkeitsstudie gelegt.


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